Ein Kleiner Nachtrag zu den Letzten Tagen in San Martin bzw. Iquitos:
Gerade komme ich in San Martin an, um in meiner letzten Woche hier noch einiges vorzubereiten, speziell, dass die Leute die Projekte weiterführen können, auch ohne meine Hilfe bis zu meiner Rückkehr im August! Doch daraus soll erst einmal nichts werden. Ein Freund und Nachbar des Dorfes, der erst seit einigen Wochen wieder von seinem Militärdienst zurück ist hat einen tennisballgroßen Abszess auf der rechten Brust und benötigt dringend eine Operation. Gut, man könnte meinen, das ist kein Problem, dafür kommt dann die Versicherung mit allem Drum und Dran auf, doch so leicht ist es nicht: der junge war vorher über das Militär versichert hat sich bis heute jedoch nicht privat versichern lassen. Damit ist er in San Martin leider kein Einzelfall, es gibt es einige Menschen die aufgrund von „schwäbischer Sparsamkeit“, Faulheit oder weil sie denken „es wird schon nichts passieren“ sich nicht versichern lassen. Dabei kümmert sich der Peruanische Staat sehr gut um seine kleinen Gemeinden, die kaum Einkommen haben. Es gibt die Möglichkeit, in die nächstgrößere Gemeinde zu fahren und dort eine Krankenversicherung für 4 Jahre abzuschließen. Diese kostet lächerliche 4 Soles, 1 Euro für die gesamte Zeit. In dieser Versicherung sind zwar nicht alle Dinge wie Zahnersatz oder Fahrtkosten ins Krankenhaus enthalten, doch sie hätte die OP meines Freundes abgedeckt und damit sein Leben gerettet! Doch was jetzt? Er hat kein Geld um sich die OP selbst zu finanzieren, soll man Ihm seinem Schicksaal überlassen? Er schluckt täglich die doppelte maximalzulässige Dosis an Schmerzmitteln! Nach kurzer Absprache mit Mama machen wir uns kurzerhand auf ins Krankenhaus, wieder zurück nach Iquitos! Ich nehme all mein Geld und meine Kreditkarten mit und hoffe, dass das irgendwie für die Behandlung reicht! In Iquitos angekommen fahren wir direkt ins Krankenhaus. Die Notaufnahme ähnelt einem Jahrmarkt, zig Leute stehen in einer Schlange, um in einen der beiden winzigen Behandlungsräumen gelassen zu werden. An einem Tisch werden die Personalien aufgenommen und Mitten im „Wartezimmer“ ist außerdem eine Krankenschwester, die Blutdruck, Puls und Gewicht der Patienten misst. Nichts mit abgetrennten Räumen, es ist schmutzig, Kakerlaken laufen durch die Gegend, die Gerätschaften kommen aus einem anderen Jahrhundert und ich bin ziemlich geschockt! Besonders, da ich ja neuste Technik und höchste Standards aus dem Diakonissen Krankenhaus gewohnt bin. Der Arzt hat maximal eine Minute um sich ein Bild von dem Patienten zu machen und eine Diagnose zu stellen, bevor er ins andere Zimmer rennen muss. Auch er ist der Meinung, dass der Abszess dringend geöffnet werden muss, schreibt ein Rezept und sagt, dass morgen früh die OP sein wird. Mit 5 papieren in der Hand stehe ich im Eingang des Krankenhauses, der Junge bleibt zur weiteren Untersuchung im Krankenhaus. Ich frage mich durch und muss zunächst zu einer Kasse, die Untersuchung bezahlen, 15 Soles, weniger als 4 Euro, ich dachte ich höre nicht richtig. Mit den anderen Zetteln soll ich in die Apotheke, nur welche? Um das Krankenhaus herum ist die ganze Straße von Apotheken gepflastert. In der nächst besten bekomme ich nicht nur Medizin, sondern auch Handschuhe, Skalpell und weiteres OP Material! Man muss sich also all seine Operationsutensilien selbst zusammensuchen. Mit all den Einkäufen darf ich in den Patientenbereich. Dort liegt er, irgendwo zwischen unzähligen kranken auf einer verrosteten Liege in einem großen Saal. Ich sehe sehr viel Leid, alle Patienten ohne Abgrenzung oder Sichtschutz auf engstem Raum. Doch bei diesen Preisen braucht man sich auch nicht wundern.
Die Zeit des Wartens nutze ich, um ein bisschen um das Leben auf der Straße wahrzunehmen und über den Markt „Belen“ zu schlendern, um nach all den Köstlichkeiten Ausschau zu halten. Auch Elvio ist mit nach Iquitos gefahren und er hat gute Nachrichten für mich: ein Freund leiht ihm ein deutlich größeres Boot, als jenes das er bisher für seine Fahrten nutzt. So kann er schauen, ob es sich rentiert, wenn er ein Boot in dieser Größe kaufen würde.
Die OP am nächsten Mittag verläuft sehr gut, in einem kleinen Raum wurde das nötigste steril abgedeckt. Ich werde ins Zimmer gerufen und mir wird stolz das Entfernte präsentiert, gut dass ich damit keine Probleme habe!
Das gröbste ist nun geschafft und der Freund wird durchkommen!
Und zu guter Letzt kommt noch ein tolle Meldung: Die Lampenteile und Paneele sind in Iquitos eingetroffen! Ganze 4 Monate sind sie nun unterwegs gewesen, viele Ärgernisse und Umstände waren damit verbunden, doch jetzt sind sie hier - die Freude über die Lampen überwiegt den mit ihnen verbundenen Ärger!
100 Stück nehmen wir auf der Jungfernfahrt des neuen Bootes mit nach San Martin und so bleiben mir nur noch ganze 3 Tage um den Zusammenbau des neuen Models zu erklären, bzw. die anderen Projekte so abzuschließen, dass sie bis August alleine weiterlaufen können!
Ich lege 2 Nachtschichten ein, lerne Tagsüber den Zusammenbau der Lampen und gebe dem neuen Buchhalter des Lampenverkaufes Computerunterricht! Alles klappt wunderbar, ganz entgegen der Peruanischen Gelassenheit - ich bin positiv sehr überrascht!
Am Ende schaffe ich es sogar noch ein großes Abschlussessen zu veranstalten, mit Hühnchen, Kartoffeln und mein persönlicher Favorit: selbstgeschabten Spätzle – Lecker! Da es kein Spätzlesbrett gibt improvisiere ich und funktioniere meinen kopierten und laminierten Reisepass um, es hat geklappt!
Doch was ist die Moral von der Geschicht‘? Ich habe mir überlegt, die Einwohner von San Martin auf die Wichtigkeit dieser Versicherung aufmerksam zu machen, am Beispiel meines Freundes erklärt, wie schnell es gehen kann, dass etwas passiert und wie gut es dann ist, eine Versicherung zu haben. Dann möchte ich eine Bootsfahrt in die Stadt in der man die Versicherung abschließen kann organisieren und finanzieren, für all diejenigen, die bisher keine Versicherung abgeschlossen haben! Der größte Posten wird nicht die Versicherung an sich sein, sondern die damit verbunden Fahrtkosten. Für mein Vorhaben habe ich auch Finanzielle Unterstützung aus dem „Hause Ebner“: -) zugesichert bekommen, vielen Dank schon mal dafür! Doch dieses Projekt muss aus Zeitgründen auf meine Rückkehr warten!
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beim Pulsmessen |
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Das krankenhaus "Iquitos regional" |
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Nach der OP |
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Der Berühmte arnireisenstuhl im Miniformat |
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Reis und mais zu allen Preisen |
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Zigaretten zu spottpreisen, was da wohl alles beigemischt ist? |
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Die Lampen im Hafen von Nauta |
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Auf dem wackeligen Steg werden sie zum Boot gebracht |
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Das neue Boot von Elvio |
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Sicht aus dem Klofenster |
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Beim Tanken |
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Die Lampenteile werden in Empfang genommen und begutachtet |
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Excel im Regenwald |
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Der erste Tag |
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Beim Löten |
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Fertig, die erste Lampe ist geschafft! (und funktioniert!:-)) |
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Spätzle a la improvisation |
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Das große Abschlussessen |
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und die Fotogeschenkestunde danach |