Dienstag, 27. Dezember 2011

Kritische Sichtweisen


Nun ist also meine Zeit als Volontär schon wieder vorbei und es war ein Wunderschönes Jahr, mit Unzähligen Erfahrungen. Es hat sehr Spaß gemacht, mit Pro Vita Andina zusammenzuarbeiten, wir konnten vieles erreichen, doch leider nicht so viel wie ich mir erhofft habe. Im Folgenden möchte ich einige Gründe dafür analysieren.
San Martin ist eine kleine Gemeinde, die in einem Teil des Amazonasgebietes liegt, die vom Staat als einer der ärmsten im Land eingestuft wurde. Doch laufe ich durch das Dorf, so sehe ich meist gut beleibte Personen, an Nahrungsmitteln fehlt es wohl nicht. In den Abendstunden laufen sehr oft Stromgeneratoren hinter den Häusern, an die dicke Stereoanlagen und Fernseher angeschlossen sind. Das macht mich stutzig. Wie kann sich jemand Benzin für seinen Generator leisten und große technische Anschaffungen, doch auf der anderen Seite klagt man, das Geld würde nicht reichen, um Benzin für die Fahrt in das Gesundheitszentrum zu kaufen.
Fast jedes zweite Wochenende gibt es Fußballturniere, in denen die Mannschaften eine hohe Anmeldegebühr zahlen müssen. Nachts sind die Bars voll mit Kartenspielern und Geld für Alkohol scheint auch ausreichend vorhanden zu sein. Woran fehlt es dann in San Martin?
Wenn ich mit den Familien spreche, und versuche ein bisschen nachzuforschen, dann merke ich, das die Leute überhaupt keine Vorsorge haben, sie leben im jetzt und heute, auf die Idee zu kommen, Geld für Notfälle zur Seite zu legen, oder medizinische Vorsorge zu betreiben und ich stoße oft auf taube Ohren. Doch selbst aus Notfallsituationen wird kaum gelernt und man macht genauso weiter wie zuvor!
Es gibt einige Dinge, die können und wollen viele Leute nicht lernen.
Projektplanung: es gibt viele tolle Ideen, die aus der Gemeinde kommen! Man könnte viele davon verwirklichen, doch wenn ich sage, die Person solle seine Ideen mal zusammenfassen, aufschreiben und einen groben Kostenvoranschlag machen und mich fragen, wenn er Hilfe braucht, dann kommt meist nie wieder irgendwas!
Relation bei Geld: hier im Dorf haben wir ein Hühnerprojekt. PVA zahlt einen Experten, der den Leuten im Projekt alles zum Thema Hühnerzucht beibringt. Ein gesundes großes Huhn bringt auf dem Markt 20-25 Soles. Angenommen, jemand hat 20 Hühner, hätte er ein Einkommen von mind. 400Soles. Zurzeit ist die Pest im Dorf ausgebrochen und fast alle Hühner sterben dahin, nur weil die Leute keine 20 Cent pro Huhn für eine Impfung investieren wollen. Sie fangen einfach wieder von vorne an und sagen, dass ihnen 20 Cent X 20= 4 Soles zu viel Geld sei. Dass ihnen gerade mind. 396 Soles gestorben sind verstehen sie nicht!
Auch sehr schwierig ist es, Leute zu finden die Verantwortung übernehmen, PVA hat z.B. einem Krankenpfleger seine Ausbildung finanziert, in der Hoffnung, er würde später Verantwortung über eine geplante Gesundheitsstation nehmen, doch er scheint jetzt davon nichts mehr hören zu wollen und eine Gesundheitsstation ohne einen Verantwortlichen ist wie eine Aula ohne Lehrer!
Jede Familie hat im Durschnitt so ca. 5-7 Kinder und dadurch natürlich einen Haufen Arbeit. Wenn ich dann mal dezent das Thema Verhütung und Prävention anspreche, wie es bei uns mit Kindern in Deutschland ist und über ihre kleine „Kinderfabrik“ spreche, dann bekomme ich als Antwort, wir seien eben nicht so „heiß“ und hätten deshalb nur so wenige Kinder!
In allen Projekten schließen wir Verträge mit den Leuten ab, machen Pläne und versuchen alles, damit die Leute ihr Projekt so gut wie möglich durchführen können. Doch ein Vertrag im Urwald ist ein nasses Papier das sich langsam auflöst und damit, so scheint es, löst sich auch die Pflicht und teilweise das Interesse.
Doch wie kommt es dazu?
Ich vermute sehr, dass die Gemeinde früher sehr schlechte Erfahrungen mit anderen Organisationen gemacht haben und teilweise noch bis heute machen. Diese Organisationen haben den Leuten viel Geld geschenkt und eigene Traditionen aufgedrängt und sie Abhängig gemacht. Dies führte im Laufe der Zeit dazu, dass die Leute nur noch eines erwarten: Geschenke, Geschenke, Geschenke! Eine andere Organisation bestehend aus Studenten möchte „direkt helfen“ und sie konstruieren einige Häuser. Dabei nehmen sie der Bevölkerung ihre letzte Arbeit weg, für das man hätte eine kleine Gruppe einheimischer anstellen können. Über die Zeit führt dies schon dazu, dass die Leute erwarten, man würde ihre eigenen Häuser bauen.

Auf dieser Grundlage zu arbeiten ist natürlich nicht besonders einfach, man muss kleine Schritte machen und mit den Leuten in vielen langen Gesprächen erklären, dass der Weg aus der Armut nur durch Eigeninitiative und Motivation gelingt, denn durch Geschenke alleine bekommt keiner ein höheren Lebensstandard!
So hatte ich in der Zeit hier viele interessante Gespräche, habe erklärt, zugehört, diskutiert, und zusammen Projekte beschlossen.
Dabei habe ich mein Gegenüber immer als einen gleichwertigen Gesprächspartner gesehen und respektiert, auch wenn manchmal ernstgemeinte Fragen wie „Gibt es in Deutschland auch eine Sonne“ teilweise einen ernsten Umgang erschwerten. Ich habe gelernt, fragen so zu stellen, dass der Gegenüber darüber nachdenken muss und in ganzen Sätzen antwortet. Mir ist schnell aufgefallen, dass hier generell alle Fragen mit „Si“ beantwortet werden. Ich denke, dies ist die einzige Methode um die Menschen bei ihrem nächsten Schritt zu stützen. Einen Fuß vor den anderen zu setzen müssen sie dann allerding alleine, denn nur so können sie es schaffen, aus der Armut herauszukommen!

Sonntag, 25. Dezember 2011

Geschichten, Mythen und Legenden

In der Kultur der Menschen in San Martin gibt es sehr viele Geschichten, Sagen und Mythen. Sie werden über Generationen in immer leicht veränderten Versionen weitergegeben. Das führte zu einem riesigen Aberglauben der sich bis heute durch alle Altersschichten hält!
Der größte Geschichtenerzähler, mit einer wunderbar sanften und leisen aber nicht einschläfernden Erzähl stimme ist der Bruder meines Chefs, Hitler. Schrecklich, eine Strafe sein Kind so zu nennen. Leider hat er, anders als fast alle hier keinen zweiten Namen. Bis ich mich daran gewöhnt habe, Hitler einfach so auszusprechen verging eine ganze Zeit, doch er heißt wirklich so, wer es dennoch nicht glauben sollte schaue auf seinen Ausweis unten. Hitler ist nicht der einzige, der in dem Dorf mit einem komischen Namen herumläuft. Es gibt auch „Julius Caesar“ und einen „Jesus“, der vielleicht ein „Hitler“ wieder gutmachen kann.
Hitler ist eine interessante Persönlichkeit, ganz ruhig, hat einen ganz eigenen Arbeitsrhythmus, schreinert gerne und geht in die künstlerische Richtung. Vor einigen Jahren hat er ein Grundstück in Iquitos für 20Sol= 5Euro gekauft und hat den Traum eine Bäckerei aufzumachen. Er spielt wunderschön Gitarre und sitzt In den Abendstunden er bei Sonnenuntergang auf der Bank am Flussufer, singt Lieder und gibt mit ein wenig Glück eine seiner Geschichten zum Besten. Da beim Erzählen meistens der ein oder andere Flussdelfin in der Nähe ist und man ihn prusten hört berichtet er mir die Folgende Anekdote:
Man erzählt sich, dass die Delfine unter Wasser eine eigene Stadt aufgebaut haben und einen Palast besitzen, dessen Dach eine kleine Sandbank ist, die man auch betreten kann. Doch das würden die Leute niemals machen wollen, denn sie haben riesige Angst vor Delfinen. Alle erzählen sich Geschichten, dass sie nachts irgendwas ins Wasser gezogen hätte und sie in der Mitte des Flusses aufgewacht wären. Man hätte sie gerettet und berichtet, die Menschen hätten geschrien, sie wollen zurück zu ihrer Familie, den Delfinen, hätten wie wild um sich geschlagen.
Als Hitler noch jung war, da hat er eines Tages in der Mitte des Flusses einen Mann schwimmen gesehen. Aber nicht nur normal schwimmend, er war wahnsinnig schnell und immer am Kraulen. Auf einmal tauchten von überall Delfine auf. Sie nehmen ihn in ihre Mitte und zusammen schwimmen sie davon, bis die Delfine abtauchen. Der Mann richtet sich im Wasser auf, er scheint aufrecht im Wasser zu stehen, sein ganzer Oberkörper ist klar zu sehen er ist der Wassergott, der Herr der Delfine. Danach taucht auch er ab und ist nie mehr zu sehen.
Ein anderer Mann, der gerade vorbeikommt gesellt sich dazu und steigt in die Geschichte ein. Er sagt, dass er einmal abends fischen gegangen ist und dass das Wasser wohl auf einmal geleuchtet hat und unter Wasser Gestalten aufgetaucht sind. Er war bei ihrem Unterwasserschloss und hat sie wohl beim „Tafeln“ gestört.
Der Herr des Waldes- „el chuyachaci“
So wie es einen Wassergott in San Martin gibt, so gibt es auch einen Herr des Waldes, ein Beschützer der Pflanzen und der Tiere.
Wenn ein Gemeindemitglied mit „bösen Absichten“ (das heißt, er will Jagen und das Fleisch nach Iquitos verkaufen oder Bäume über seinen Eigenbedarf hinaus schlagen) in den Wald geht, dann bekommt dies der Herr des Waldes heraus  und folgt dem Jäger. Da es sich um einen Gott handelt kann er eine beliebige Gestalt annehmen. Er verwandelt sich nun in einen guten Freund des Jägers, und erscheint. In kürze gewinnt er sein Vertrauen und bietet seine Hilfe bei der Jagt an. Der Herr des Waldes ruft einige Tiere in die Nähe um eine Fährte aufzunehmen. Dann er mit dem Jäger den Tieren, die sich immer weiter in den Wald verziehen. Als sich die beiden trennen um zwei Fährten folgen zu können vernichtet der Herr des Waldes die Spuren des Jägers. Dieser verirrt sich und kommt nie wieder zurück. Die einzige Möglichkeit, den Chuyachaci zu erkennen, ist sein linker Fuß. Dieser kann sich nicht verwandeln und sieht so aus wie eine Fuchspfote.
Der Zyklon: Als Hitler noch ein Junge war hat er mit Elvio und Marleni bei seinen Eltern am anderen Ufer gelebt. Sein Papa hatte eine Hühnerfarm und sie hatten wohl mehr als 100 Hühner, was bei einer Haltung ohne Medikamente eine Leistung ist. Eines Tages jedenfalls sollten sie Fischen gehen, die 3 Zwerge in einem Boot und als sie in der Mitte des Flusses waren sahen sie (alle 3) auf einmal eine Gestalt, menschenähnlich, doch viel viel größer und sie hatte nur ein Auge! Sie stieg aus dem Wasser auf und ging in Richtung ihr Haus. Die Knirpse hatten natürlich Angst wie noch was und sind so schnell wie sie konnten ans Ufer gefahren. Sie dachten, er wolle die Hühner fressen. Der Vater hat sie schief angeschaut und gesagt, dass dort niemand war. Dann sind sie zum Hühnerhaus gegangen und normalerweise sind immer Hühner da oder hörbar. Diesmal jedoch gar nichts! Sie waren wie weg. Erst am nächsten Morgen sind sie einzeln und verstört aus dem Wald gekommen und haben allesamt Ratlos hinterlassen!

Vor Flussdelfinen haben die Leute sehr Angst!







der große Geschichtenerzähler: Hitler

Sacha ajo, eine reinigungs-zeremonie-pflanze


Das haus des Besitzers des Waldes

Sonnenuntergang in SMT

Hier ist der Beweis, Hitler lebt!

der rote Delfin

Montag, 19. Dezember 2011

Kuriositäten:


In meiner Zeit hier in San Martin sind mir so manche komische oder nur schwer nachvollziehbare Situationen untergekommen, hier eine kleine Sammlung von erlebten Geschichten:

Kuriosität 1:
Ich dachte ich sehe nicht recht! Dass die Leute hier oft Läuse haben glaube ich ja, aber nicht dass es hier ist es wirklich Gang und Gebe ist, sich gegenseitig zu lausen ist unglaublich! Die Leute sitzen am Nachmittag auf ihren Bänken vor dem Haus und Lausen sich, als liebevolle Geste zwischendurch oder wenn die Mutter z.B. mit ihren Kindern redet, und nebenher die Haare absucht und wenn man dann eine Laus gefunden hat, so wird die Beute auf dem Fingernagel betrachtet, dann die Hand zum Mund geführt und die Laus gegessen! Prost Mahlzeit!

Kuriosität 2:
Hier werden Paprika Tomate genannt und zu Bananen Äpfel. Außerdem gibt es süßen Knoblauch, der Ebenfalls als Paprika bezeichnet wird

Kuriosität 3:
Hier werden immer Dinge auf der Straße verkauft, meist von Frauen die auf ihrem Kopf eine Plastikschale die voll mit Früchten, Gemüse und fertigen Essen tragen! Dann preisen sie ihre Köstlichkeiten an: „Hay… (Es gibt…)“. Wenn jetzt eine Frau z.B. Taperiba, übrigens eine ausgesprochen leckere Frucht die man sowohl unreif mit Salz als Salat oder auch als reife Frucht essen kann, für einen Sol 10 Stück verkauft, aber nur noch 9 Stück hat und ich frage, ob ich Taperiba kaufen kann, dann wird  sie „no hay” sagen, es gibt keine.

Kuriosität 4:
Hier sind die Jugendlichen sehr geschlechtergetrennt! (Sogar die Erwachsenen sitzen in den Gemeindeversammlung (fast) sauber nach Männlein und Weiblein sortiert. Trotz all dem sind die meisten schon mit 15-17 das erste Mal schwanger.

Kuriosität 5:
Hier gibt es sehr viele Fußballturniere. Um daran Teilzunehmen muss man eine hohe Anmeldegebühr bezahlen. Das Siegerteam gewinnt die Hälfte des Geldes, die andere Hälfte bekommt der „Veranstalter“. Doch nicht nur in großen Turnieren, nein selbst wenn man mal so privat mit Freunden und Nachbarn spielt, dann geht es immer um Geld! Verwunderlich, wo es in vielen Familien nicht mal genug Geld für Essen gibt!

Kuriosität 6:
Sehr lustig ist auch, was man alles mit
den Babys machen kann sie werden einfach überallhin mit mitgenommen. Man kann sie unter den Arm klemmen, auf den Ruecken schnallen, der Oma oder auch wem anders (die Kinder fremdeln hier irgendwie fast gar nicht) in die Hand drücken. Einen Kinderwagen sucht man auch vergeblich und sie schlafen auf unbequemen Holzbänken, in einem tierisch holpernden Bus an ihre Mama angelehnt. Wahnsinn was Kinder bei uns in Watte gepackt werden!

Kuriosität 7:
Viele Leute im Dorf haben einen Tante-Emma-Laden. Für die meisten ist der kleine Laden auch gleichzeitig das Schlafzimmer!

Kuriosität 8:
Die meisten Leute hier denken, dass alle Ausländer English sprechen- also gar nicht wissen, dass es noch weitere Sprachen gibt. Deshalb antwortet der Gemeindepräsident mir auch immer ganz stolz mit „yes“.

Kuriosität 9:
Selbst für das Biertrinken gibt es eine bestimmte Art und Weise. Es gibt nie so viel Geld, dass sich in einer Gruppe von Leuten jeder ein eigenes Bier kauft. Man kauft also „3 por 10“, 3 Flaschen (650ml) für 10 Soles und bekommt einen Plastikbecher dazu. Der erste schenkt sich ein, gibt erst die Flasche weiter und dann wenn er ausgetrunken hat den Becher. Der Nächste schenkt sich wieder ein und gibt die Flasche schnell weiter. So macht dann erst die Flasche und danach der Becher die Runde.

Kuriosität 10:
Ohne frischen Fisch ist ein Essen kein Essen. Dann bekomme ich oft nur heißes Wasser für einen Tee und Salzkekse gebracht.

Kuriosität 11:
Eine sehr häufige Antwort die ich zu hören bekomme ist: „no hay“ (gibt‘s nicht). Es ist einfach ganz normal, dass es Dinge nicht gibt. Man kann sich nie darauf verlassen, dass es Vorräte gibt. Die einzigen Dinge die hier konsumiert werden sind Seife (Waschmittel, Shampoo und Spülmittel in einem) Öl, und ein paar Süßigkeiten für die Kinder. Da die Läden immer erst nachkaufen, wenn alles verkauft ist bleibt der Laden noch ca. eine Woche auf Grund der großen Distanz zur nächsten Zivilisation leer!

darf ich vorstellen: Äpfel!



"Hay Pina" - es gibt Ananas


sortierte Gemeindeversammlung



in Fussballturnieren geht es immer nur ums Geld!

Sonntag, 18. Dezember 2011

San Martin wird versichert!


In meiner Zeit hier in San Martin werde ich immer wieder und mit seigender Häufigkeit von Leuten aufgesucht, die wegen Verletzungen Unfällen oder Krankheiten um Hilfe bitten. Gerne helfe ich wo ich kann weiter, gebe Medizin, heile Wunden und kleinere Verletzungen. Danach komme ich oft noch mit den „Patienten“ ins Gespräch und rede über Gesundheit und Vorsorge. Als ich frage, was sie denn machen würden, wenn ich nicht da wäre und was sie für eine Versicherung haben, sagen fast alle „nichts!“ oder „abwarten“ und dass sie gar keine Versicherung haben. Das hat mich ziemlich schockiert und ich wollte daran etwas ändern.
Da es ja im Dorf keinen Arzt gibt und wie oben berichtet auch keine Materialien zur Verfügung stehen, müsste man bei einem Notfall ca. 2 Stunden in eine Gemeinde fahren, in der in einer Gesundheitsstation 1 Hilfe geleistet werden kann. Doch einen Arzt gibt es auch dort nicht. Um zu ihm zu gelangen muss man von dem Posten aus noch einmal ca. 1,5 Stunden Flussaufwärts fahren, bis man richtig versorgt werden kann. Doch Leute aus San Martin und anderen Gemeinden können sich diese Fahrt kaum leisten, von einer anschließenden Behandlung mal ganz abgesehen.
Ich möchte mir ein Bild schaffen und direkt mit dem Arzt sprechen. Im Gesundheitszentrum angekommen werde ich gleich zum Arzt durchgelassen.
Ein paar Worte zu dem „Gesundheitszentrum“: Nachdem das alte Gebäude das wohl zu nah am Fluss gebaut wurde in den Maranon gestürzt ist hat man eine Alte Markthalle umfunktioniert. Ein Markt mit Verkaufstischen, Gängen und Abwasserschächten, ein großer Raum in dem man mit ein paar Brettern notdürftig einige Verschläge gebaut hat, die als Behandlungsräume dienen. Der Junge Arzt ist nett und kooperativ. Er erklärt das Gesundheitssystem und was es mit einem Patienten geschieht, wenn er eine Behandlung nicht durchführen kann (z.B. eine Operation): der Patient kommt in Begleitung eines Krankenpflegers mit einem Expressboot nach Nauta(2,5 Stunden). Dort wartet dann schon ein Krankenwagen der angefunkt wird und den Patienten schließlich in einer Stunde nach Iquitos ins Krankenhaus fährt.
Doch nur wer eine Versicherung hat bekommt die Behandlungs- und Fahrtkosten zurückerstattet und dazu gibt es vom Staat ein Programm zu speziellen Konditionen in „extrem armen gebieten Perus“ wozu auch Gemeinden wie z.B. San Martin gehören. Die Versicherung nennt sich „SIS“ und ist seit diesem Jahr komplett kostenlos, muss jedoch nach vier Jahren erneut wieder unterschrieben werden! Sie beinhaltet bis zu 4 Arztbesuche im Monat und eine medizinische Grundversorgung.
Um die Versicherung abzuschließen muss man zu dem nächsten Gesundheitsposten fahren und dort die Dokumente ausfüllen. „SIS“ ist sicherlich nicht das Beste, doch es ist allemal besser als gar nichts!
Zurück in San Martin bespreche ich mit den Oberhäuptern meine Idee und bekomme Zuspruch, so dass ich „SIS“ in einer Dorfsitzung allen erklären kann. Auch dort bekomme ich Zuspruch und da ca. 70% der Leute keine Versicherung haben und es schwierig und umständlich wäre, die gesamte Gemeinde zu transportieren komme ich auf die Idee, man könne die Leute von dem Gesundheitsposten vielleicht nach San Martin einladen. Erneut spreche ich mich mit dem Arzt ab und er will mir in meiner Sache helfen. So hole ich die Krankenpfleger schließlich persönlich ab und rufe das gesamte Dorf zusammen. Ein großer Erfolg, alle kommen und am Ende des Tages sind knapp 300 Leute neu versichert!
Nun haben sie also eine Versicherung, doch noch immer verfügt die Gemeinde nicht über eine funktionierende Gesundheitsstation. Es steht zwar ein Haus, doch es fehlt an Medizin und Materialien. Pro Vita Andina ist sehr daran interessiert, dass es im Dorf eine funktionierende Station gibt, hat sogar eine Ausbildung zum Krankenpfleger finanziert, doch diese Person zeigt kein Engagement und möchte nicht zusammen mit einem Komitee die Verantwortung übernehmen und die Station leiten. Es ist frustrierend, dass man alle Rahmenbedingungen schafft und eine Grundlage gibt, doch keiner Verantwortung übernimmt und den Leuten ihre Gesundheit so Egal zu sein scheint!


Gesundheitsstation von innen


Behandlungsräume



Gesundheitsposten von außen

San Martin wird versichert




so ging der Tag schließlich zu Ende

Kleine Äffchen und eine Regierung die ihr Geld lieber im Fluss versinkt als es sinnvoll auszugeben


Wenn eine umliegende Gemeinde Solarlampen von unserem Projekt kaufen möchte, so müssen die Oberhäupter zunächst einen Vertrag unterzeichnen, in dem sie sich zu Aufforstung und Teilnahme an einem Müllprojekt verpflichten. Jetzt geht es darum, mit den Gemeinden zu schauen, wie sie sich an den Vertrag halten. So habe ich mich neulich zu meinen ersten Besuchen aufgemacht!
Ich glaube, wir waren erfolgreich und sie habe einiges gelernt. In dieser Gemeinde (San José de Samiria) sehe ich einige Mülleimer gesehen und frage, was sie denn mit dem Müll anstellen, wenn die Eimer voll sind. Die Antwort ist hart: „Vergraben!“ Ich glaube es kaum „wir graben ein Loch und schmeißen da alles rein!“ Ich bin ziemlich schockiert. Doch wie sollen solche Leute lernen, was Umweltverschmutzung ist und was es für Folgen mit sich bringt, wenn sie Batterien und chemische Substanze wie z.B. Farbreste wegschmeißen. Sie haben kein schlechtes Gewissen deshalb, und an diesem Punkt treffen zwei verschiedene Sichtweisen aufeinander. Es wird höchste Zeit, dass ein Müllabtransport gut organisiert wird!
Auf dem Weg zurück zum Boot sehe ich eine Familie, die einen Hausaffen hat. Ein kleines braunes Äffchen sitzt auf einem Balken und schaut mich skeptisch an. Ich setzte mich zu ihm und es dauert nicht lange und die Neugier siegt. Sehr süß! Ich gebe ihm ein Stückchen Keks und er klaut sich eine leere Cola Flasche, aus der er versucht letzten Tropfen herausholen. Er wird immer zutraulicher und klettert an mir herum. Wie ich ihn so beobachte, seine Bewegungen, seine Finger, und die Art Dinge Logisch zu erfassen und weiterzuführen (Flaschendeckel) – es ist erstaunlich, wie nah wir wirklich den Affen sind, man baut automatisch eine ganz andere Verbindung auf, als man das z.B. mit einem Hund tut. Eine Sache muss man dabei natürlich kritisch sehen, denn dieser Affe wurde aus der Natur gefangen und ist angebunden, damit er nicht davonrennt.
Einige Tage später steht der nächste Besuch in einer anderen Gemeinde an. Nachdem wir mehrmals mit dem Dorf telefoniert haben und einen Termin ausgemacht haben machen wir uns auf den weg. Als wir ankommen ist von einem Dorftreffen nicht viel zu sehen, auch beim Herumfragen will keiner was von einem Treffen wissen. Von unserer Kontaktperson ist auch keine Spur zu sehen. Schließlich treffen wir den Gemeindepräsidenten an und schlagen vor, schnell alle zu einem Spontanen Treffen zusammenzurufen, antwortet das Dorfoberhaupt, dass die Leute gerade einen Film im Dorfzentrum anschauen würden und es aus diesem Grund unmöglich sei über Umwelt und Gesundheit zu sprechen.
So was macht mich fast wütend, zu einen, dass man 3 mal hin und Telefoniert, mit dem Ergebnis, dass nichts gemacht ist, und dann, dass die Leute so unflexibel sind und wegen eines Filmes nicht reden können!
Ich laufe ein bisschen durch das Dorf und entdecke einen wunderschönen neuen Dorfplatz, gefliest, mit Beeten und allem Drum und Dran. Nebenan ist noch ein Spielplatz von dem selbst in Deutschland Gemeinden träumen. Auf diesem kleinen Platz befinden sich ca. 20 Mülleimer, so alle 5 Meter einer und im gesamten Rest im Dorf – nicht einer! Das macht mich dann noch einmal wütender, dass die Gemeinde, bzw. der Staat so viel Geld für einen neuen teuren Platz hat, doch im Dorf nicht ein Mülleimer steht, die Schulen keine Englischlehrer haben und das im Dorf kein Gesundheitsposten ist. Ist das nicht paradox? So laufe ich über diese schillernden Fliesen des Platzes der so überhaupt nicht in diese Landschaft passt und mache mit Gedanken, wie eine Regierung Geld so falsch einsetzen kann!


In San Jose de Samira beim Lampen registrieren






Der neue Dorfplatz, leider nur ein Nachtbild


Fussballturnier, im Hintergrund der neue Platz in Nueva Arica