Jetzt ist es so weit, ich fahre zum letzten Mal mit „deutscher Unterstützung“ nach Iquitos. Lara muss schon wieder nach Deutschland und ich werde dann hier alleine Stellung halten. Wir fahren mit einem größeren Boot als sonst, da es viele Passagiere und zwei Tonnen Mais zu transportieren gibt. Deshalb leiht sich Elvio vom einen Nachbarn das Boot und von einem anderen zwei peque-peque Motoren (5PS). Zusätzlich wird der große Motor (15PS) angehängt und so machen wir uns sehr langsam mit einem überfüllten Boot flussabwärts nach Nauta. Es dauert sehr lange und immer wieder regnet es. Leider ist das Dach sehr morsch und mein Platz ist genau unter einer Bretterkante, an der das Wasser in das Boot bzw. in meine Hängematte läuft. Erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit kommen wir in Nauta an. Reither, ein 22 Jährigersehr netter Tourismusstudent aus San Martin, mit dem wir oft abends noch zusammensitzen bietet an, eine Nacht in seinem Haus in Nauta zu übernachten und erst am nächsten Morgen nach Iquitos aufzubrechen. Das war eine Erfahrung, denn hier haben die Leute keine Matratzen. Sie schlafen entweder direkt auf dem Boden, in der Hängematte oder auf dem Bett, da dann allerdings auf den Holzbrettern. Leicht verspannt wache ich am nächsten Morgen auf und freue mich schon auf die nächste Nacht mit richtiger Matratze. Es gibt einiges in Iquitos zu erledigen doch dann ist es schon so weit und ich muss mich von Lara verabschieden. Sie war eine wirklich große Hilfe für mich, beim Zurechtfinden in dem fremden Land mit einer komplett anderen Kultur und sie konnte mir bei Verständigungsproblemen, von denen es am Anfang viele gab als „wandelndes Lexikon“ weiterhelfen und ich konnte von ihrer Erfahrung mit den Menschen im Dorf profitieren. Amselben Abend verabrede ich mich mit Luis, einem Freund, ebenfalls aus San Martin um ein bisschen die Stadt bei Nacht kennenzulernen. Er lädt noch zwei Freundinnen aus der Uni ein und so gehen wir zu viert erst mal in eine Bar, in der wir ein paar Bier trinken und das funktioniert so: In einer Gruppe von Leuten kauft sich niemals jeder ein eigenes Bier. Man kauft eine Flasche und bekommt einen Plastikbecher dazu. Der erste schenkt sich ein, gibt erst die Flasche weiter und wenn er ausgetrunken hat den Becher. Der Nächste schenkt sich wieder ein und gibt die Flasche schnell weiter. So geht es, bis die Flasche geleert ist. Danach gehen wir in einen großen Hof, in dem eine Bekannte Band aus Iquitos namens Ilucion ein Konzert gibt. 15 Männer stehen auf der Bühne und eine Frau in ihrer Mitte. Sie tanzen und singen und bewegen sich alle wie in einer Formation. An jeder Seite der Bühne steht jeweils eine Strip-Tänzerin, deren einzige Aufgabe darin besteht, das Publikum zu unterhalten. Diese Art der Inszenierung ist aber total normal hier erklärt mir Luis. Die Musik ist sehr typisch für hier und nennt sich Cumbia (Tanzmusik). Es ist sehr laut und passt zu der ohnehin schon lauten Stadt, in der jeder versucht den anderen zu übertönen. Es macht sehr viel spaß, aber es ist ein komisches Gefühl zu Tanzen, denn ich bin immer mindestens einen Kopf größer als alle anderen und fühle mich sehr beobachtet. Nach vier Stunden „Scheppermusik“ ist das Konzert dann vorbei und ich gehe in mein Hotel, denn am nächsten Morgen steht das nächste Event an, ich gehe mit Luis ins Fußballstadion von Iquitos.
Der Verein heißt CNI und spielt in der 1. Liga. Das Stadion ist sehr modern und umfasst 24.000 Sitzplätze, von denen heute ungefähr die Hälfte belegt ist. Das Gelände ist großräumig abgesperrt, und die Polizei sorgt dafür, dass kein Mototaxi sich dem Stadion mehr als vier Blocks nähert. Im Stadion ist schon viel betrieb, und auch hinter der Absperrung wird die Stadionsicherheit von der Polizei übernommen. Doch hier dürfen die meist jungen Polizisten keine Waffe tragen, sondern nur höhergestellte, die eine Weste mit unzähligen Abzeichen tragen. Wir haben Karten auf der Gegentribüne Mitte. Ziemlich teure Plätze könnte man meinen aber die umgerechnet etwas mehr als 3 Euro sind gut zu vertreten. Es ist im Vergleich zu den deutschen Stadien sehr leise und man kann sich fast in normaler Lautstärke unterhalten. Einige Leute haben sich sogar ein Radio mitgebracht, um noch ein wenig Musik zu hören und sich zu unterhalten. Ich sitze in der ersten Reihe und kann das Getrappel der Fußballer auf dem Kunstrasen hören. Vor mir ist ein Weg, auf dem kleine Kinder sitzen und mit Eisstielen Murmeln über den Boden schnippen. Überhaupt ist hier das Augenmerk weniger auf den Spielverlauf als mehr auf die Zahlreichen Verkäufer gerichtet, die kleine Gerichte, Wasser und Eis zu je 25 Cent lauthals anbieten. Nur von der Fankurve schallen Trompetenklänge herüber. Dann geht CNI nach einer Ecke von (keine Ahnung!) durch (keine Ahnung!) mit 1:0 in Führung! Endlich kommt richtiges Stadiongefühl auf und die Radios werden übertönt!
Am Eingang bekommt man keine Stadionzeitschrift mit Spielernamen und viel Reklame, sondern eine Wählerbroschüre für die anstehenden Präsidentschaftswahlen am 10 April, doch davon ein Blog, wenn der neue Präsident feststeht! Vor der Halbzeit kommt der Ausgleich durch einen Elfmeter. Nach der Pause wird ein Wechsel über eine Lautsprecheranlage (ja es gibt eine!) bekanntgegeben, der erste bekannte Name, Pizarro. Es handelt sich um den Bruder des bekannten Claudio Pizarro. Doch auch er bringt keinen frischen Wind in die Partie und so geht CNI in Halbzeit zwei mit 1:3 unter. Erst kurz vor Schluss wird es noch einmal richtig laut im Stadion, als die aufgebrachten Fans ihre Mannschaft ausbuhen und „geht doch nach Hause!“ im Chor rufen. Für mich war es trotz allem ein toller Fußball Nachmittag und ich konnte die kulturellen Unterschiede die es selbst beim Fußball gibt kennenzulernen. Danach muss ich ganz schnell weiter, um meine Fähre zurück nach San Martin zu erwischen, doch was daraus geworden ist kann man im Beitrag <<Die Fahrt mit der Lancha>> lesen!
Eine Sache noch: die ganzen Polizisten mussten ja wieder irgendwie vom Stadion wegkommen. Doch es gibt kaum Polizeiautos und schon gar keine Polizeitransporter. Also hat man einfach einen kleinen Lkw mit Gitterstäben gemietet, auf den sich dann alle Polizisten draufstellen und sehr zusammengepfercht zurück zur Polizeistation gefahren werden, ein sehr amüsanter Anblick!
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