Mittwoch, 27. April 2011

Die Präsidentschaftswahlen


Seit ich in Peru bin sind mir überall in Iquitos und Nauta große Plakate und interessante Wandanstriche mit bestimmten Mustern aufgefallen. Es handelte sich dabei nicht um einen Malwettbewerb, sondern um Wahlwerbung, denn am 10. April sind die Präsidentschaftswahlen in Peru. Durch Iquitos fahren Mototaxikolonnen mit Fahnen und Lautsprecherboxen aus denen scheppernd Wahlslogans schallen. Im Fußballstadion bekommt man beim Eintritt eine Wählerbroschüre, in der steht, wie   man richtig wählt und wird daran erinnert, dass man auch nicht vergisst seine Stimme abzugeben. Das nicht ohne Grund, denn in Peru ist nicht ein Recht zu wählen, sondern eine Pflicht! Ein feiner aber entscheidender Unterschied, im Gesetzbuch, wenn es heißt: „Sie haben die Pflicht zu wählen“ und nicht: „Sie haben das Recht…“. Bei Nichtwahrnehmung der Pflicht gibt es eine Bußgeldstrafe. Diese variiert je nach Wohlstand jeder einzelnen Stadt. Dabei gibt es drei Kategorien: Kategorie 1: Reich, 2. Normal und 3. Arm. Die Strafe liegt zwischen 72 - und 18.S/ = 4,50 Euro. San Martin de Tipishca gehört zur Kategorie 3. Diese 18.S/ sind für die Bevölkerung sehr viel Geld. Es gibt kaum Dinge, die gekauft werden müssen, das einzige das Importiert werden muss ist Seife und Öl zum Kochen. Alle anderen Zutaten bekommt man direkt aus dem Garten oder aus dem Fluss. So muss also jeder in die Stadt, in der man registriert ist, ein riesen Aufwand, denn viele aus dem San Martin sind in Iquitos registriert und müssen sich dorthin auf die Reise begeben. Auch die Lehrer der Schule, die alle von auswärts kommen machen sich auf und der Unterricht fällt für mehr als eine Woche aus.
Am Sonntag, den 10. April machen sich dann alle Gemeinden früh morgens auf den Weg, unzählige Boote schlängeln sich durch den Maranjon und das Dorf ist ganz ausgestorben, lediglich ein paar Kinder sind zurückgeblieben, die nach dem Rechten sehen sollen. Und so fahren wir in die nächst größere Stadt, Santa Rita de Castilla. Sie liegt zentral von all den kleinen Ortschaften und bildet das Zentrum mit knapp 2.000 Einwohnern. Heute sind weitere 4.000 Leute angereist und die kleine Stadt platzt aus allen Nähten. Unzählige Boote liegen am Hafen und wir müssen fast eine halbe Stunde suchen, bis wir einen „Parkplatz“ finden. Auf den Straßen wird Essen angeboten und Am Hafen Benzin in Flaschen, für die Rückfahrt mit den kleinen Booten. Vor dem Wahllokal stehen alle fein hintereinander. in einer „englischen Reihe“ und warten stundenlang auf den Eintritt in die Wahlkabine. Für einen reibungslosen Wahlablauf sorgt das Militär, das heute stark präsent ist.
Ganz zufällig treffe ich Leyner, den Gitarrenfreund der das Praktikum bei Elvio gemacht hat auf der Straße. Auch er ist auch zum Wählen gekommen, und es gibt ein großes Wiedersehen! Jeder der wählt muss vor dem Verlassen des Wahllokals seinen Finger rechten Mittelfinger in ein Tintenfass tunken, um nicht noch einmal kommen zu können, als Sicherheitsmaßnahme. Also laufen alle Menschen mit blauen Fingern durch das überfüllte Dorf. Auch auf den Personalausweis wird ein Kleber aufgeklebt. Nachdem alle, die mit „meinem“ Boot gekommen sind ihre Stimme abgegeben haben, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Als ich schon fast sitze, überlege ich mir, noch ein paar Kekse für die Fahrt zu kaufen und es ereignet sich der nächste Zufall: Der ganze Hafen ist voll von kleinen Läden. Ich gehe aus unerklärlichen Gründen nicht in den ersten Laden, sondern in den zweiten. Wer steht vor mir? Die Frau von der Fähre! Ich habe sie erst gar nicht erkannt, denn ich wusste nicht, dass sie hier in dieser Stadt wohnt, geschweige dem in genau dem Laden arbeitet, in dem ich meine Kekse kaufen will! Wir unterhalten uns ein wenig und ich habe die Gelegenheit, mich noch einmal richtig für ihr Angebot bedanken zu können, denn das habe ich auf dem Schiff damals vergessen. Dann geht es zurück und wir kommen erst nach Sonnenuntergang wieder in San Martin an. Dann geht die Flüsterpost um, denn jeder gibt die ersten Hochrechnungen weiter. Diese bekommt man nur durch einen Anruf von Freunden oder Verwandten aus Iquitos Radio oder Fernsehen gibt es in San Martin natürlich nicht! Spät in der Nacht steht das vorläufige Ergebnis fest, es gibt keinen Kandidaten, der die nötige Mehrheit erreicht hat, so wird es in Juni eine Stichwahl geben und da geht dann wieder alles von vorne los!
Noch etwas dazu, wie die Leute die Wahlpflicht wahrnehmen: Für einige ist es ein großes Ereignis, ich habe z.B. Frauen gesehen, die sich die schönsten Klamotten anzogen und sich schminkten- das sah sehr ungewohnt aus! Sie freuten sich auf die Wahl und diskutierten während der Fahrt über die verschiedenen Präsidentschaftskandidaten! Für andere- und ich würde sagen, für die Mehrheit hier im Dorf wurde die Pflicht als ein Fluch aufgefasst! Alle mussten ihre Arbeit liegen lassen.
Besonders in der Zeit, in der das Wasser steigt, müssen bestimmte Arbeiten schnell verrichtet werden, die Verarbeitung von Yuka zu Farinia z.B. ist ein Prozess, den man nicht unterbrechen darf. Aber man muss auch sagen, dass Dörfer in Peru, in denen Wasser steigt und Yuka produziert wird, eher die Ausnahme sind:-)! Ich glaube in großen Städten wie z.B. Lima ist das mit dem Wählen nicht viel anders wie in Deutschland! Hier in San Martin ärgert man sich sogar über die entstehenden Kosten durch Benzin für die Reise! Insgesamt hat die Pflicht jedoch seinen Vorteil, in Peru gibt es nicht das Problem, dass die zweitgrößte Partei die „Nichtwähler-Partei, (kurz NWP)“ ist:-)!

Anderes Boot auf dem WEg zum Wählen

Boot liegen im Hafen

Der Hafen

Schlange vor dem Wahllokal

Schon gewählt

Transporte LOMAS

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