| Wieder in San Martin: Jetzt bin ich also schon einen Monat hier in San Martin, dem schönen, kleinen und familiäre Dorf mitten im Naturschutzgebiet im Peruanischen Amazonastiefland. Es geht mir hier sehr gut und ich habe das Gefühl, mich hier langsam eingelebt zu haben. Vieles, was mir Anfang noch „spanisch“ vorgekommen ist wandert langsam in die Kategorie Alltag und rauscht an meiner Großhirnrinde vorbeiJ. Deshalb möchte ich einen kleinen Einblick in den Alltag, in das Leben der Einwohner San Martins geben:
Ein Tag beginnt meistens kurz nachdem die Sonne aufgeht und die vielen Hähne, die es hier gibt so laut krähen, dass auch ja jeder weiß, dass ein neuer Tag angefangen hat,doch wenn es sehr regnet, so wie heute, dann bleibt man gerne auch noch ein bisschen liegen. So ein verregneter Morgen kann aber auch schnell vorbeigehen und sich zu einem sonnigen, Heißen Tag entwickeln, an dem man es draußen kaum aushalten lässt, oder auch einfach den ganzen Tag durchregnet. Denn: sicher kann man hier nichts sagen und das Wetter im Regenwald ist das beste Beispiel dafür.
Zunächst wird ein Feuer auf der Feuerstelle in der Kücheangezündet. Die Kunst ist es, ein Feuer mit feuchtem Holz anzuzünden, ohne viel Qualm zu produzieren, doch dafür haben die San Martiner ein Händchen. Zum Frühstück esse ich in der Regel Brot, dasheißt, sehr kleine, längliche, wenig nahrhafte Brötchen mit mitgebrachtem Käse. Man kauft sie sich beim Bäcker, der am Haus mit zwei großenPlastiktüten voll dieser Brötchenvorbeiläuft. Man sagt nicht: „ich hätte gerne 3 oder 4 Brötchen, sondern fragt nach Brotfür zum Beispiel zwei Soles = 50 Cent. Dafür bekommt man dann so um die 20 Brötchen oder mehr, je nach Tag und Laune des Bäckers. Beim Verzehr der Brötchen werde ich von den Einheimischen immer etwas lustig begutachtet, denn hier isst man diese Brötchen nicht zum Frühstück, sondern als kleine Mahlzeit zwischendurch. Es gibt frisch gebruehten Tee und als ich der Koechin von Teebeuteln in Deutschland erzaehle hat sie lachen muessen. Nach dem Fruehstueck kommt Elvio, mein Ansprechpartner vor Ort und Koordinator aller Projekte in dem Dorf vorbei. Er ist immer sehr beschäftigt und fährt mindestens einmal pro Woche nach Nauta (die Fahrt habe ich ja schon einmal beschrieben). Er hat ein kleines Transportunternehmen gegründet, und bringt so mehr oder wenigerRegelmäßigPassagiere und Ware von einem Ort zum anderen. Zurzeitstehen Buchhaltung und viele Organisatorische Dinge an. Elvio redet sehr schnell und verhaspelt sich und vor lauter Arbeit steht er ständig unter Strom. Man merkt ihm im den Stress an und dass es für jemandem aus einem kleinen Dorf ohne- oder mit nur sehr eingeschränkten Kontakt zur Außenwelt schwierig ist, alles zu Koordinieren. Er versucht etwas der Arbeit auf andere Personen seiner Familie zu übertragen und seine Familie ist Groß – so wie es hier üblich ist. Im Dorf gibt es die tollsten Namen, doch von „Jesus“ und „Julius - Caesar“ erzähle ich später. Der Umgang mit Papier, Stift und Zett Elchenfällt Elvio besonders schwer. Er sammelt alle Boltes= Rechnungen und gibt sie seinem Bruder, dem Buchhalter namens Hitler (das ist übrigens sein einzige Vornamen, eigentlich haben die Leute hier mindestens zwei oder drei Namen. Die Eltern hatten von der Bedeutung des Namens keine Ahnung). Auch fürihn ist das alles sehr viel. Er hatte in der Oberstufe 3 Jahre Buchhaltungsunterricht aber ist mit dieser Kopfarbeit ziemlich überfordert. Er ist sehr ordnungsliebend und hat von seinem Schwager gelernt, seine Werkzeuge mit Nägeln ordentlich an der Wand zu befestigen. So - dass er selbst in der Nacht ohne Licht seine Werkzeuge wiederfindet und bemerkt, falls etwas fehlt. Ich helfe ihm beim Sortieren und diktiere ihm Daten, Beträge und Belegnummern, die er in endlos lange Listen einträgt, und dann zusammenrechnet. Das ist sehr Zeitaufwendig und letztendlich auch nicht von Nutzenfür die Buchhaltung meines Vereins in Deutschland. Doch das Arbeiten mit einem Laptop ist bei den meisten von hier ziemlich unvorstellbar- zwei Welten prallen aufeinander. Also muss die lange Liste digitalisiert werden, alles noch einmal auf Fehler kontrolliert werden und später per Email nach Deutschland geschickt werden. Für die Zukunft wird er wohl lieber wieder als Tischler arbeiten. Hitler ist ein langsamer, ruhiger Mensch, der stundenlang von seinen Erlebnissen erzählen kann. Von Geschichten darüber, wie er Buchbinden gelernt hat, wie er sieben Mal dem Tod knapp entkommen ist, bis hinzu Legenden über die Flussdelfine.Die Arbeit ist sehr anstrengend und immer wieder steht er einfach auf und geht, weil er noch andere Dinge zu erledigen hat doch das darf man nicht persönlich nehmen, denn eines haben hier die Leute und das ist Zeit. Bei einer kleinen Verschnaufpause werde ich gerufen, meine Höhe ist gefragt. Die Kinder, die zurzeit noch Ferien haben versuchen eine Frucht zu ernten, chembiche oder so, die sich in langen Schoten befindet und wie lange, Große Bohnen aussieht. Sie befindet sich hoch oben in einem Baum gleich neben der Küche. Aus vielen aneinander befestigten Stöcken ist ein langer Stab gebaut, doch es fehlen noch einige cm. bis zur ersehnten Bohnenfrucht. Man stellt mir einen Stuhl auf ein Podest und ich Angele einige der Schoten. Hitler singt und spielt auf der Gitarre Lieder und aus jedem Song wird eine Ballade. Er erzählt, dass er auch gerne Poesie macht und Verse schreibt. Aber seiner Frau Juliana, mit der er seit 3 Monaten zusammen ist, hat er noch keinen geschrieben. Da kommt sie auch schon vorbei, sie ist Krankenschwester und lebt vorübergehend mit ihren beiden kleinen Töchternin einem Eingerichten Zimmer über der Küche, denn das neue Haus hat noch kein Dach.
Weiter geht es, der Regen lässt nach und wenn ich auf der Veranda von meiner Zahlentabelle aufsehe, sehe ich Enten, die sich in den entstandenen Pfützen Baden und auf dem Weg einen Mann vorbeilaufen, der ein freundliches: „Buenasdias“ hinüberruft. Das Feuer wird wieder entfacht und Wasser für das Mittagessen aufgesetzt.Mit dem Rest wird das Besteck gewaschen. Das dreckige Wasser wird dann einfach durch das „imaginäre Fenster“ nach draußengeschüttet. Reiskrümel und Kochbananenreste werden von den Hühnern aufgepickt.
Elvio Kommt vorbei, gefolgt von der nächsten Historischen Person, Julius Caesar. Julius Cesar ist Lehrer und hat jahrelang in San Martin gearbeitet. Mittlerweile wohnt er mit seiner Frau und seinem Sohn in Iquitos. Alle zwei Monate kommt er vorbei, um das Hühnchenprojektals Experte zu betreuen. Er bringt Impfungen und Medizin und besucht alle 19 Hühnerställe des Projektes.
Zu Mittag gibt es Reis mit Ei und Zwiebeln mit Kochbananen. Doch es fehlen Zwiebeln und Eier. Die Köchin seht am Weg und wartet, bis ein Ninjo= kleines Kind vorbei kommt und fängt es ab. Es trifft Jesus, auch Jeshuco oder Mangokönig genannt. Er ist die dritte historische Figur und ist sechs Jahre alt. Jesus ist so ziemlich das frechste und fröhlichste Kind hier. Er pflückt Mangos, ärgert seinen Bruder und er war es auch, der am Ufer eine Matschrutsche eröffnet hat. Jesus wird einkaufen geschickt. Nach 5 Minuten kommt er zurück, es gibt keine Eier. Sie schickt ihn in die andere Richtung, er soll bei jedem Haus nach Eiern Fragen und so kommt er schließlichmit Zwiebeln und drei Eiernin den Händen wieder. Es ist üblich, seine Einkäufe nicht selbst zu erledigen, in den keinen „Tante Emma Läden“ sind fast immer nur kleine Kinder anzutreffen. Und auch die Verkäuferin sitzt gemütlich im Liegestuhl und überlässt ihrer Tochter die Theke. Es ähnelt sehr einem Kaufladenspiel. Das man sein Essen am Tisch isst ist auch außergewöhnlich, denn hierwird immer auf dem Boden gearbeitet, gespielt und so auch gegessen- ein Tisch wird von den wenigsten Familien gebraucht. Nach dem Essen ist eine Tafelrundeaufgelöst, wenn der erste mit essen fertig ist, „MuchasGracias“ sagt und aufsteht. Langes „herumsitzen“ gibt es nicht, die Gespräche, die man bei uns nach dem Essen kennt finden auf der Straße statt. Ein kleines Mädchen kommt und sagt: „tejamaprotelefon“ und Lara macht sich auf den Weg in die Telefonzelle, ein solarbetriebenes Satellitentelefon stellt die einzige Verbindung zur Außenwelt dar. Der Anrufer muss wieder auflegen und 10 Minuten warten, bis Lara in der Telefonzelle ankommt und dann wieder zurückrufen. Ich schneide mir eine Zapote auf, eine süßeFrucht mit fünfgroßen Kernen, von denen man das Fadenartige Fruchtfleisch abkaut, nehme die Gitarre und üb ein peruanisches Lied- „Amiga“. Nach einer kleinen sieste in derHängematte kommt Roberto zum Computerunterricht. Er ist Parkwächter in der Reserva und muss jeden Monat ein Infomationschreiben verfassen. Er lernt den korrekten Umgang mit „Word“ und tippt sein Informationsblatteigenhändig sehr langsam in den Laptop.
Am Nachmittag gehe ich noch die Dorfstraße hinauf einer Frau ihr Einmachglas zurückgeben. Die Sonne steht schon tiefer, es ist angenehm warm und von dem Unwetter am Morgen ist keine Spur mehr zu sehen.Wenn ich mich umschaue, bemerke ich, dass hier das Leben viel mehr auf der Straße Stattfindet. Fast aus jedem Haus strecken sich mindestens drei Köpfe heraus und grüßen freundlich. Die älterenBewohner und die Frauen bleiben meistens in Haus Nähe, waschen Wäsche im Fluss oder sind im Haus und passen auf ihre vielen Kinder auf. Kleine schlafen in den Hängematten und da Moskitos bei viel Bewegung nicht stechen, schuckt sie die Mutter im Schlaf regelmäßig an. Unter den Häusern laufen Hühner und Enten und an der Straße stehen in regelmäßigenAbstündenMülleimer, eine Auflage des Solarlampenprojektes. Fast jedes Haus hat einen kleinen Holzpflock vor der Türe, auf dem ein kleines Solarpanel installiert ist. Die Lampen sind sehr begehrt und ich werde häufig gefragt, wann denn die neuen ankommen, doch das weiß ich leider selber nicht so genau.Am Haus der „Einmachglasfrau“ angekommen sehe ich, dass keiner ist da. Ich erkenne es daran, dass ein Brett auf der Treppe am Eingang liegt. Jeder weiß, dass hier gerade keiner anzutreffen ist. Wenn mal jemand sein Hausfür einen längeren Zeitraum verlässt, so kann er dieses nicht abschließen, in der Regel haben die Häuser hier gar keine Türe.Außerdem wissen alle Nachbarn immer bestens über den Aufenthaltsort und Rückkehr ihrer Nachbarn Bescheid.Und so erfahre ich, dass sie „mastarde“= Später kommen wird. „Mas tarde“ wird hier für alle Zeitangaben verwendet und kann in 5 Minuten oder 5 Stunden bedeuten. Ich mache mich wieder auf den Rückweg, erneut Grüßen alle aus ihren Häusern oder schauen kurz von ihrer Arbeit auf und nicken mir zu. In Casa Lupuna angekommen höre ich Musik und Motorenlärm der Nachbarn. Im letzten Jahr ist hier in der NäheÖle ausgelaufen (ja auch hier innerhalb des Naturschutzgebiets sind die Ölfirmen vertreten) und die Leute haben ca. 400 Euro Entschädigung bekommen, sowie Wasserfilter etc. San Martin liegt allerdings so, dass es von dem Ölfast nichts abbekommen hat, nur ab und an hat man mal einen Fisch erwischt, der schwarz im Maul war. 400 Euro sind sehr viel Geld für die Leute hier und von dem Geld konnten sie sich Schiffsmotoren und Generatoren leisten. Somit bekomme ich jetzt für die nächsten Stunden musikalische Unterstützung. Wann sich der Tag dem Ende entgegen neigt sagt einem nicht die Uhr, sondern ein Blick in die Sonne. Nach der Sonnenuhr ist jetzt Zeit zu Duschen das heißt schwimmen zu gehen. Das schwarze aber saubere Flusswasser hat sich im Laufe des Tages schnell durch die Sonne aufgewärmt und so schwimme ich der Sonne entgegen- ein malerischer Sonnenuntergang. Kaum ist die Sonne weg oder auch bei einem Regenschauer der sich ankündigt, gibt es gleich viel mehr Moskitos als sonst. Schnell aus dem Wasser und Umziehen. Es wird gleich stockdunkel. Es gibt Abendessen, einen Fisch, Reis und Kochbananen. Vereinzelnd sieht man die Solarlampen aufleuchten, wenn jemand am Haus vorbeiläuft und mit „Buenasnoches“ grüßt. Nach dem Essensitze ich Abends oft noch bis "spät" (so um 9, da es ja um 6 schon dunkel wird und das Leben eigentlich aufhört) zusammen mit den Leuten des Dorfes und unterhalte mich über den Tag, ob das Wasser im Fluss weiter gestiegen ist, wie sehr die Moskitos nerven, oder ich spiele Gitarre, bzw. lerne neue Lieder von Hitler. Begleitet wird der Abend von Grillenzirpen, sehr laut im Chor Quakenden Fröschen, von denen einer plötzlich mit einem dumpfen Schlag vom Dach auf den Boden fällt, jedoch weiterquakt und für einige Stunden Brummt der Generator/ Fernseher der Nachbarn, bis er kurz aufheult und dann ausgeht, das Benzin ist aus |
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