Freitag, 29. April 2011

kleiner Vorgeschmack


Hallo meine lieben Leser!
Leider bin ich mit meinem Blog ein bisschen in Verzug gekommen!
Ich bin schon fast am Ende meiner Zeit hier in San Martin, bevor ich nach Ecuador gehen werde! Es gibt noch so vieles zu erzählen, kleine Geschichten und Erlebnisse, von denen ich gerne berichten würde. Ich bemühe mich, sobald ich kann, einige dieser Geschichten nachzureichen!
Es werde Beiträge zu Hochwasser, Kinder die mit dem Boot zur Schule fahren, Ostern in Peru, Schablonenschneiden und den endlich kommenden Solarlampen folgen. Einen kleinen Vorgeschmack habe ich bereits, ich habe meine Slackline aus Deutschland mit nach Peru geschleppt und aufgespannt. Dank Wasser ringsherum im Dorf macht es noch mal mehr Spaß zu springen und zu üben und auch bei der „Dorfjugend“ kommt es sehr gut an!
Hier ein kleines Video!

Mittwoch, 27. April 2011

Die Präsidentschaftswahlen


Seit ich in Peru bin sind mir überall in Iquitos und Nauta große Plakate und interessante Wandanstriche mit bestimmten Mustern aufgefallen. Es handelte sich dabei nicht um einen Malwettbewerb, sondern um Wahlwerbung, denn am 10. April sind die Präsidentschaftswahlen in Peru. Durch Iquitos fahren Mototaxikolonnen mit Fahnen und Lautsprecherboxen aus denen scheppernd Wahlslogans schallen. Im Fußballstadion bekommt man beim Eintritt eine Wählerbroschüre, in der steht, wie   man richtig wählt und wird daran erinnert, dass man auch nicht vergisst seine Stimme abzugeben. Das nicht ohne Grund, denn in Peru ist nicht ein Recht zu wählen, sondern eine Pflicht! Ein feiner aber entscheidender Unterschied, im Gesetzbuch, wenn es heißt: „Sie haben die Pflicht zu wählen“ und nicht: „Sie haben das Recht…“. Bei Nichtwahrnehmung der Pflicht gibt es eine Bußgeldstrafe. Diese variiert je nach Wohlstand jeder einzelnen Stadt. Dabei gibt es drei Kategorien: Kategorie 1: Reich, 2. Normal und 3. Arm. Die Strafe liegt zwischen 72 - und 18.S/ = 4,50 Euro. San Martin de Tipishca gehört zur Kategorie 3. Diese 18.S/ sind für die Bevölkerung sehr viel Geld. Es gibt kaum Dinge, die gekauft werden müssen, das einzige das Importiert werden muss ist Seife und Öl zum Kochen. Alle anderen Zutaten bekommt man direkt aus dem Garten oder aus dem Fluss. So muss also jeder in die Stadt, in der man registriert ist, ein riesen Aufwand, denn viele aus dem San Martin sind in Iquitos registriert und müssen sich dorthin auf die Reise begeben. Auch die Lehrer der Schule, die alle von auswärts kommen machen sich auf und der Unterricht fällt für mehr als eine Woche aus.
Am Sonntag, den 10. April machen sich dann alle Gemeinden früh morgens auf den Weg, unzählige Boote schlängeln sich durch den Maranjon und das Dorf ist ganz ausgestorben, lediglich ein paar Kinder sind zurückgeblieben, die nach dem Rechten sehen sollen. Und so fahren wir in die nächst größere Stadt, Santa Rita de Castilla. Sie liegt zentral von all den kleinen Ortschaften und bildet das Zentrum mit knapp 2.000 Einwohnern. Heute sind weitere 4.000 Leute angereist und die kleine Stadt platzt aus allen Nähten. Unzählige Boote liegen am Hafen und wir müssen fast eine halbe Stunde suchen, bis wir einen „Parkplatz“ finden. Auf den Straßen wird Essen angeboten und Am Hafen Benzin in Flaschen, für die Rückfahrt mit den kleinen Booten. Vor dem Wahllokal stehen alle fein hintereinander. in einer „englischen Reihe“ und warten stundenlang auf den Eintritt in die Wahlkabine. Für einen reibungslosen Wahlablauf sorgt das Militär, das heute stark präsent ist.
Ganz zufällig treffe ich Leyner, den Gitarrenfreund der das Praktikum bei Elvio gemacht hat auf der Straße. Auch er ist auch zum Wählen gekommen, und es gibt ein großes Wiedersehen! Jeder der wählt muss vor dem Verlassen des Wahllokals seinen Finger rechten Mittelfinger in ein Tintenfass tunken, um nicht noch einmal kommen zu können, als Sicherheitsmaßnahme. Also laufen alle Menschen mit blauen Fingern durch das überfüllte Dorf. Auch auf den Personalausweis wird ein Kleber aufgeklebt. Nachdem alle, die mit „meinem“ Boot gekommen sind ihre Stimme abgegeben haben, machen wir uns wieder auf den Rückweg. Als ich schon fast sitze, überlege ich mir, noch ein paar Kekse für die Fahrt zu kaufen und es ereignet sich der nächste Zufall: Der ganze Hafen ist voll von kleinen Läden. Ich gehe aus unerklärlichen Gründen nicht in den ersten Laden, sondern in den zweiten. Wer steht vor mir? Die Frau von der Fähre! Ich habe sie erst gar nicht erkannt, denn ich wusste nicht, dass sie hier in dieser Stadt wohnt, geschweige dem in genau dem Laden arbeitet, in dem ich meine Kekse kaufen will! Wir unterhalten uns ein wenig und ich habe die Gelegenheit, mich noch einmal richtig für ihr Angebot bedanken zu können, denn das habe ich auf dem Schiff damals vergessen. Dann geht es zurück und wir kommen erst nach Sonnenuntergang wieder in San Martin an. Dann geht die Flüsterpost um, denn jeder gibt die ersten Hochrechnungen weiter. Diese bekommt man nur durch einen Anruf von Freunden oder Verwandten aus Iquitos Radio oder Fernsehen gibt es in San Martin natürlich nicht! Spät in der Nacht steht das vorläufige Ergebnis fest, es gibt keinen Kandidaten, der die nötige Mehrheit erreicht hat, so wird es in Juni eine Stichwahl geben und da geht dann wieder alles von vorne los!
Noch etwas dazu, wie die Leute die Wahlpflicht wahrnehmen: Für einige ist es ein großes Ereignis, ich habe z.B. Frauen gesehen, die sich die schönsten Klamotten anzogen und sich schminkten- das sah sehr ungewohnt aus! Sie freuten sich auf die Wahl und diskutierten während der Fahrt über die verschiedenen Präsidentschaftskandidaten! Für andere- und ich würde sagen, für die Mehrheit hier im Dorf wurde die Pflicht als ein Fluch aufgefasst! Alle mussten ihre Arbeit liegen lassen.
Besonders in der Zeit, in der das Wasser steigt, müssen bestimmte Arbeiten schnell verrichtet werden, die Verarbeitung von Yuka zu Farinia z.B. ist ein Prozess, den man nicht unterbrechen darf. Aber man muss auch sagen, dass Dörfer in Peru, in denen Wasser steigt und Yuka produziert wird, eher die Ausnahme sind:-)! Ich glaube in großen Städten wie z.B. Lima ist das mit dem Wählen nicht viel anders wie in Deutschland! Hier in San Martin ärgert man sich sogar über die entstehenden Kosten durch Benzin für die Reise! Insgesamt hat die Pflicht jedoch seinen Vorteil, in Peru gibt es nicht das Problem, dass die zweitgrößte Partei die „Nichtwähler-Partei, (kurz NWP)“ ist:-)!

Anderes Boot auf dem WEg zum Wählen

Boot liegen im Hafen

Der Hafen

Schlange vor dem Wahllokal

Schon gewählt

Transporte LOMAS

Die Mananeo von Hitalo


Neulich hat mich ein Freund aus San Martin namens Hitalo oder auch Tic Toc gefragt, ob ich nicht Lust hätte bei seiner „Mananeo“ mitzumachen. Mananeo bezeichnet das Arbeiten für einen Vormittag und ein leckeres Mittagessen als Bezahlung. Irgendwas mit Hausbauen und Brettern so viel habe ich verstanden. Klar willige ich ein und komme am nächsten Morgen um 6:00 Uhr, wie verabredet zu seinem Haus. Doch aus der Arbeit bei ihm am frühen Morgen wird erst mal nichts, denn heute ist "Trabajo comunal", Dorfarbeit.
Jeder Mann im „arbeitsfähigen Alter“ muss antreten sonst steht eine Strafzahlung von 10 Soles (2,50 Euro) an, ein Tageslohn für einen ungelernten Arbeiter. Jeder kommt und muss Rasenmähen. Kein Traktor oder Motorrasenmäher, wie man sich das vielleicht vorstellt, nein, das Zauberwort heißt auch dieses Mal wieder Machete, alles Handarbeit! Man bückt sich ganz nah über den Boden und schwingt dann mit einer speziellen Technik die Machete von rechts- nach links oben. In der Mitte streift man knapp über dem Boden. Jeder Bekommt einen Streifen von ca. einem Meter zugeteilt, und so arbeiten sich alle durch das große Gelände. Am folgenden Tag ist nämlich Schulanfang! Wenn ein Mann krank ist, oder gerade sein Fischernetz auswirft, so muss er sich durch seine Frau vertreten lassen, denn Ausreden gibt es keine. Ich versuche mich auch am Rasenmähen, hacke am Anfang aber eher Löcher in den Boden als zu mähen, mit der Zeit klappt es dann aber immer besser! So lichtet sich das Schulgelände nach und nach und es kann endlich mit der eigentlichen Arbeit losgehen. Ich ziehe mir Jeans und Gummistiefel an und schmiere mich mit Nobite ein, denn ich ahne schon, dass die Arbeit nicht aus Sägen und Nägel in die Wand hauen bestehen wird. Außer mir stehen noch 15 andere Männer vor dem Haus und wir alle steigen in zwei als Katamaran zusammengebundene Kanus und knattern mit einem kleinen peque-peque Motor los. Nach einer Viertelstunde gehen wir an Land und werden schon von unendlich vielen Mücken in Empfang genommen. Von Holzbrettern zum „einfachen Einladen“ fehlt jede Spur. Wir laufen auf einem kleinen Trampelpfad immer tiefer in den Urwald. Die Stimmung ist ausgelassen und immer wieder joggen wir ein Stück, um einen mitfliegenden Mückenschwarm kurzzeitig loszuwerden. Auf einmal kommt eine kleine Senke und der Weg steht unter Wasser. Meine Gummistiefel können mir bei einem Meter Wassertiefe auch nicht weiterhelfen - sie laufen voll. Mit zwei kleinen Schwimmbädern an den Beinen geht es weiter und ich habe Schwierigkeiten, bei dem Tempo, das die Männer selbst bei der Hitze vorlegen mitzuhalten. Es kommen noch weitere dieser Wasserstellen, bis wir dann nach 15-20 Minuten ganz plötzlich vor einem großen Holzstapel stehen. Wir befinden uns also mitten im Urwald, Grillen zirpen, Papageien „schwätzen“ aus den Baumkronen, Frösche quaken von Zivilisation ist weit und breit nichts zu sehen und vor uns liegt ein großer Holzstapel - schon eine komische Situation. Fein übereinandergestapelt liegen 6-7 Meter lange Holzbretter mit einer Breite von ca. 30 cm auf dem Boden, vollgesogen mit Wasser und total glitschig. Sie sind sehr schwer und ich schaffe es zunächst kaum, mir eines auf die Schulter zu wuchten. Das Holz stammt von einem Edelholzbaum namens
Andara, der gerne für Häuserbau genutzt wird, denn es ist sehr stabil und hat eine lange Lebensdauer. Wir machen uns auf den Rückweg und als ich endlich an der ersten unter Wasserstehenden Senke ankomme, schmeiße ich das Brett hin, um es durch das Wasser ziehen zu können. Doch das Holz ist so dicht und vollgesogen, dass es einfach untergeht, wie ein Stein! Also wieder auf den Rücken damit und so komme ich schließlich wieder am Boot an. Ich lege mich auf den Boden, bin oben durchgeschwitzt, und unten vom Wasser komplett durchnässt. Nicht einmal die Mücken nerven mich jetzt, ich habe Durst und bin einfach nur fertig. Ein Mann bietet mir großzügig eine Schale Masato an (Ihr erinnert euch, wie es hergestellt wird?) doch vor lauter Durst trinke ich sie. Danach darf ich aussetzen, die Leute haben MitleidJ. Wie verwöhnt wir doch in Deutschland mit großen Geräten und Maschinen sind! Alle Bretter werden in die Schiffe geladen und zurücktransportiert. Durch das Gewicht der Bretter gehen die Boote fast unter. Ich sitze ganz vorne oben auf dem Stapel und lasse mir den Fahrtwind um die Ohren sausen. Wir laden ab und legen sie als neuen Fußboden in sein halbfertiges Haus. Danach gibt es die Bezahlung! Wie sehr habe ich mich auf dieses Essen gefreut. Es gibt „vaka-marinia“, eine unter Naturschutz stehende, riesige Seekuh, Reis, weiße Bohnen und Kochbananen. Das Fleisch ist total lecker zart und endlich mal was anderes als Fisch oder manchmal Hühnchen! Zum Glück wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was für Fleisch es war und kann den Moment ganz und gar genießen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Einfach auf seiner Arbeit sitzen zu können, zu essen und die Sicht auf den Fluss zu genießen, (Wände gibt es zurzeit noch keine) - einfach nur herrlich!
Am nächsten Morgen spüre ich jeden Muskel und Knochen meines Körpers doch nach zwei Tagen ist der Muskelkater wieder weg.
Es beeindruckt mich immer wieder, wie viele kulturellen Unterschiede es gibt, wie die Einstellung zur körperlichen Arbeit ist und vor allem, wie sehr man hier auf Freunde und Familie angewiesen ist, denn ein Mann alleine könnte niemals alleine ein solches Haus errichten.

Und zurück gehts


"Bezahlung" erhalten

Die Frauen, die ihre Männer vertreten müssen

Ein Stapel Bretter, mittem im Urwald!

Das Holz im Schiff

Die Bretter sind abgeladen

Hühner suchen kleine würmer in dem frischgemähten Gras

Vor der ersten Senke

Kids nach dem Schulanfang

Beim Rasenmähen

der Schulhof





Freitag, 15. April 2011

Die Reise mit der Lancha

Die Reise mit der Lancha (=Fähre)
Mein Plan war es, Samstagabends nach dem Fußballspiel meine Sachen zu holen und zum Hafen in Iquitos zu fahren, um dann mit der Fähre 24 Stunden bis nach Prado, eine kleine Stadt ca. 2 Stunden mit dem Boot von meiner Gemeinde entfernt, zu fahren. Dies hätte den Vorteil, dass ich nicht noch eine Nacht Hotel bezahlen müsste, und ich die Erfahrung machen könnte, auf dem großen Amazonas zu reisen. Aber hier kommt alles anders als man denkt. So erfahre ich, dass die Fähre heute schon früher losgefahren ist und sie, weil morgen Sonntag ist, gar nicht fahren wird. Was jetzt? Noch länger in Iquitos bleiben? Ich habe aber schon alle meine Aufgaben Erledigt! Die Lösung ist Folgende: Die Entfernung zwischen Iquitos und Nauta ist nur 1-2 Autostunden. Da aber der Fluss so viele Windungen macht, braucht das Schiff für die Strecke ca. 12 Stunden. So fahre ich mit einem sehr klapprigen Taxi, das erst losfährt, wenn es voll bzw. übervoll ist nach Nauta. Ich muss ziemlich lange warten und so geht die Fahrt erst los, als es schon dunkel ist. Wir sind zu acht, vorne 3, hinten vier, im Kofferraum noch einer und auf dem Dach ist ein halber Plastikschüsselsupermarkt festgeschnallt. Die Türe wird mit einem Seil gesichert, Sicherheitsgurte Fehlanzeige und die Geschwindigkeitsanzeige und Kilometerzähler haben bei 670.000 km. den Geist aufgegeben. Mich würde interessieren, wie weit das Auto seither schon gefahren ist! Nachts ist die Fahrt ziemlich gefährlich, da auf der unbeleuchteten Straße oft Hunde liegen und die Leute aus den zahlreichen, an der Straße liegenden Dörfern über sie Straße laufen, bzw. Ladung für den nächsten Morgen an den Rand stellen. Auch die Schlaglöcher und Bodenwellen sind nicht ungefährlich doch der Fahrer zieht es meistens vor, mit dem Auto nach einer Bodenwelle aufzusitzen, als vorher abzubremsen. Aber wie auch immer, ich komme heil in Nauta an und gönne mir ein paar Stunden Schlaf im Hotel, bevor die Fähre dann irgendwann morgens zwischen 4 und 7 kommen soll.
Doch das Boot hatte es wohl nicht sehr eilig und so sind die einzigen, die um 4 Uhr schon auf den Beinen sind, die Marktbesitzer, die ihre Kleider, Lebensmittel, Schulhefte und Flip Flops in der Hoffnung auf ein frühes Schnäppchen schon alle fleißig aufbauen. Und dann kommt sie endlich. Unübersehbar fährt das riesige Schiff mehr oder weniger sanft auf das Ufer auf und wartet be- bzw. entladen zu werden. Dies geht nur über ein Holzbrett, so eine Katzentreppe, die vom Deck gelassen wird, denn das Hauptdeck ist fünf Meter über der Wasseroberfläche.
Der vordere Teil der Fähre ist für Güter gedacht und nicht überdacht. Heute Morgen befindet sich nicht viel Ladung auf dem Schiff, ein Auto, einige Kanus, Bretter, und ein paar Paletten voll mit Säcken. An einem klapprigen, alten Holztisch sitzt ein Mann mit einem mit Geld prallgefüllten Brustbeutel. Er verkauft die Fährentickets und ich kaufe mir eines bis nach Prado und versichere mich noch einmal, dass die Fahrt auch wirklich dort vorbeigeht, denn dort soll ich von meinen Freunden aus San Martin abgeholt werden.
Die Fahrt beginnt, ich klettere auf das 4. Deck und befinde mich nun auf dem Dach des Bootes, neben dem Steuerhäuschen. Es ist schwindelerregend hoch und man kann von hier aus über die ganze Stadt sehen denn dort gibt es max. 2 geschossige Häuser. Mein Platz befindet sich auf dem 3. Deck, denn das 2. Ist schon voll. In drei Reihen hängen hunderte Hängematten von der Decke. Tüten liegen am Boden, Kinder spielen mit Flaschendeckeln, Babys schreien und Hühner gackern verschreckt in der Ecke. Aus der Küche kommt Fisch und Reisgeruch, dass Frühstück wird gerade zubereitet. Im 2. Deck ist es sehr laut, der Motor stinkt von unten herauf und bringt das ganze Schiff in ein gleichmäßiges Brummen. Ich klettere auf das 3., wo es schon viel ruhiger ist und bemerke ein kleines Boot das parallel zur Fähre fährt und signalisiert, langsamer zu fahren, denn bei dem Tempo kann selbst dieses modere Boot nicht mithalten. Die Motoren werden ein wenig gedrosselt und dann klettert noch ein verspäteter Passagier an Deck, es sieht sehr wackelig aus und bei einem kleinen Fahrfehler würde das Bötchen unter der Fähre verschwinden, ohne dass man was mitbekommen würde. Es klappt alles gut und ich lege mich erst einmal in meine Hängematte um einige Stunden Schlaf nachzuholen.
Dann kommen wir in San Regis vorbei. Als die Fähre anlegt warten schon ungefähr alle Frauen und Mädchen aus dem gesamten Dorf im Matsch am Ufer um alle gleichzeitig mit ihrem Essen, das sie zu verkaufen haben, auf dem Kopf oder in der Hand auf die Fähre zu klettern. Dabei laut anbietend was sie zu verkaufen haben. Hay: (Es gibt) Ananas, Erdnüsse, Limonade, Kuchen, Fisch, fertige Gerichte in Bananenblättern, Kokosnüsse, Zuckerrohr, Popcorn und allerlei Tropenfrüchte. Sie dürfen dann ca. 5 min mitfahren, bis die Fähre ein zweites Mal anlegt, damit die ganzen Verkäuferinnen die das Boot gestürmt haben wieder aussteigen können. Alle essen gemütlich und die Fahrt geht weiter. Ungefähr alle 30 Min. hält die Fähre kurz an, um Passagiere und Ladung aufzunehmen. In einem Dorf stehen viele große schwarze Kisten und um sie aufzuladen benötigt es viel Zeit und Muskelkraft.  Zu zehnt ziehen und schieben sie, bin eine Kiste an Bord ist. Dadurch verzögert sich die Weiterfahrt bis auf weiteres. Es ist schon unglaublich, was diese kleinen Peruaner alles schleppen können. Mir riesigen Reissäcken auf dem Rücken oder Brettern auf den Kopf geschnallt laufen sie in der prallen Mittagsonne hin und her. Bei einem solchen Halt ist die Stimmung immer unglaublich aufgeheizt und stressig. Es ist laut, ich höre die Leute schreien und sich zurufen, aus einer Richtung kommt dumpf der Bass einer Soundanlage, ständig wird gepfiffen um Anweisungen zu erteilen.
Etwas später  gibt es Mittagessen, ich nehme meine Tupperschüssel (ein sehr wichtiges Utensil auf meiner bisherigen Reise) und gehe auf das zweite Deck. Zum Essen gibt es „ja“ oder „nein“ und wenn man „ja“ wählt, so bekommt man eine große Portion Reis mit Hühnchen und Kochbananen, die Hauptmahlzeit in Städten wie Iquitos wie ich finde. Nach dem Essen frage ich den Kapitän persönlich, der sich gerade aus seiner Kabine herauslehnt, wann wir denn in Prado wären. In 2-3 Stunden versichert er mir. Ich gehe wieder an Deck und sehe eine Menschentraube um den Esstisch herumstehen, die Küche hat sich in ein Casino verwandelt und nun spielen alle Karten oder Bingo. Diese Beobachtung habe ich auch schon oft in Iquitos gemacht, wenn ich in die meist offenen Türen hereinschaue, sehe ich oft einen kleinen Hinterhof in dem Männer sitzen und um Geld spielen.
Wenn ein kleineres Boot von der Fähre überholt wird, so muss dieses den Motor drosseln und sich auf ein Manöver gefasst machen, um nicht von den Bugwellen der Fähre zu kentern, das Geschaukele habe ich bereits auf einer anderen Fahrt in einem solchen Boot erlebt.  Nach zwei Stunden packe ich meine Sachen und mache mich zum Gehen bereit, doch eine weitere Stunde verstreicht, ohne dass wir anhalten.  Ich werde schon leicht nervös, möchte aber dem Kapitän nicht auf die Nerven gehen, außerdem können hier 2-3 Stunden auch gut 3-4 Stunden heißen. Nach weiteren 30 Minuten frage ich schließlich, wo denn nun Prado sei und ich bekomme gesagt, es würde bereits hinter uns liegen, es wäre eine Abzweigung gewesen, doch die Fähre wäre sie nicht gefahren, weil es sich nicht lohnen würde oder so. Mir wird es heiß und kalt und ich versuche mit ihm zu Diskutieren, dass ich irgendwie nach Prado komme, schließlich steht das ja auch als mein Fahrtziel auf meinem Ticket. Aber die einzige Möglichkeit scheint es, ist bei der nächsten Station, einer größeren Stadt auszusteigen und mit dem „Taxi Boot“ nach Prado zu fahren. Dies wäre extrem Teuer und außerdem würden sich meine Abholer wundern, wo ich bleibe.
Eine junge Frau spricht mich an und will wissen, wo ich denn eigentlich hin will, wo ich herkomme und was ich hier so mache. Eigentlich ist mir gerade nicht nach Kaffeekränzchen zu Mute doch sie ist sehr nett und erzählt mir, dass sie aus der nächsten Stadt kommt. Sie macht den Vorschlag, dass ich mit Radiofonie, einer Art Funksystem vom Hafen aus in Prado bzw. San Martin anfunken kann, um Bescheid zu geben, wo ich bin. Außerdem kennt sie San Martin, (ein Wunder bei den vielen Dörfern hier) denn sie ist Fußballerin und hat dort schon einmal ein Turnier gehabt. Sie ist für die hiesigen Verhältnisse sehr aufgeschlossen und modern und bietet mir an, in ihrem Haus auf meine Abholer zu warten. Doch soweit musste es nicht kommen denn auf einmal werde ich von allen Seiten gerufen: „joven, joven!“ (=Junge, gilt für alle Alterslassen). Die Fähre lenkt mit viel Schwung auf das Ufer zu. Da hier weit und breit kein Dorf zu sehen ist, wundert es mich, dass ich kommen soll und dann fährt sie einfach gegen die Bäume, die am Flussufer stehen. Mit lautem Knacken gehen sie zu Bruch und werden einfach gefällt, so eine Wucht hat die Fähre. Dann sehe ich es, ein ganz kleines Boot, dass gerade sehr heftig durch die Bugwellen durchgeschüttelt wird. Dort sitzen sie, meine Freunde, sie haben es sich schon gedacht, dass die Fähre heute nicht in Prado halten wird. So komme nach weiteren zwei Stunden Fahrt sehr erleichtert in San Martin an.
Was für eine Fahrt, und das gleich bei meiner „Premiere“!

Die Lancha in Nauta

Ware be- entladen

Bingo und kartenspielen auf dem Esstisch

Das volle Hauptdeck

Die Lancha

Alle Verkäuferinnen müssen wieder aussteigen und zurück in ihr Dorf

Endlich bei den Freunden im Boot!

Ich in der Hängematte

Mein Platz, klassisch mit Tüten reisen!

Die Verkäuferinnen in San Regis