Freitag, 18. November 2011

Schildkrötenbefreiung!


Vor nicht allzu langer Zeit, ihr erinnert euch vielleicht, habe ich von den Schlüpfenden Schildkröten in San Martin berichtet. Heute gibt’s die Fortsetzung, die Freilassung!
Für alle, die es noch nicht gelesen haben, oder sich noch mal erinnern wollen, HIER kommt ihr direkt zu dem Beitrag!
Als die geschlüpften Schildkröten also Futter bekommen und wachsen, bzw. richtig schnell rennen lernen, ist es Zeit sie zurück in die Freiheit zu entlassen. Es soll ein großes Fest geben, Leute aus anderen Gemeinden, Parkwächter, Lehrer und auch der Chef der Reserva sind Eingeladen. Das Gemeindehaus füllt sich, alle sind gekommen, nur der Chef der Reserva lässt auf sich warten. Dann fängt der offizielle Teil an und alle „wichtigen“ Persönlichkeiten widersprechen sich. Dass das Schildkrötenprojekt eine gute Sache, da sind sich alle einig, doch bei der Argumentation warum gibt es Abweichungen. So sagt einer zum Beispiel: „es ist toll, dass wir die Schildkröten schützen, so können wir mehr essen, wenn sie groß sind und töten nicht so viele, dass sie Aussterben auch können wir die nicht aufgegangenen Eier essen und die Schildkröten, die wir heute freilassen werden ja selbst in wenigen Jahren Eier legen!“. Der nächste sagt dann: „es ist toll, dass wir die Schildkröten schützen, denn dann werden wir bekannter und es kommen mehr Touristen!“. Nur einer hat’s ausgesprochen: „Es ist toll, dass wir die Schildkröten schützen, denn sie sterben aus und wir betreiben Naturschutz, wir dürfen sie nicht essen!“. Doch welches der Argumente auch immer das schlagende ist, Man will das Projekt fortsetzten und das ist die Hauptsache!
Der Chef der Reserva ist noch immer nicht aufgetaucht und die Freiwilligengruppe, die das Projekt begleitet hatte sich sehr auf sein Kommen gefreut, ihm sogar ein Geschenk gemacht und als die Vorsitzende der Gruppe von der Arbeit berichtet ist ihr der Frust über das nicht erscheinen ins Gesicht geschrieben. Doch Das ist so exemplarisch für die Arbeit hier, kaum hat man einen Schreibtischposten kümmert man sich nicht mehr um Anliegen oder Einladungen kleiner Gemeinden. Dabei wäre genau das so wichtig, denn aus der Armut herauszukommen ist nicht leicht, doch ohne Eigeninitiative unmöglich. Es gibt leider nicht viele dieser Gruppen, und wenn sie dann was eigenständig auf die Beine stellen und um nichts als die Visite des Chefs bitten, dann werden sie bitter enttäuscht.
Danach ging‘s dann aber wirklich los, erst wurden einige Exemplarisch freigelassen, später dann außerhalb der Gemeinde über 250.
Es ist verrückt, wie die kleinen Tierchen so genau wissen, wo der Fluss ist. Der Eimer in dem sie sich befinden wird an der Uferböschung ausgeleert und alle rennen den Sand hinab in den Fluss. Dabei rennen manche so schnell, dass sie sie überschlagen, den Hang herunterkullern und auf dem Rücken liegenbleiben. Ein wunderschönes Schauspiel der Natur!


In jedem dieser Becken (8) befinden sich 2,5-3.000 Schildkröten

In den Parkwächterposten und in den Gemeinden gibt es dieses Projekt!


In der Parkwächterstation 1 - PVI



In dieser Schüssel befinden sich ca 250 3Wochen alte Schildkröten

Alle rennen die Böschung hinab um ins Wasser zu kommen


4 Tage Urwald- oder 1 mal Paradies und zurück!


Wiedersehen im Peruanischen Regenwald:
Sarah, eine dänische Volontärin, die ich aus der Zeit in Ecuador kenne, wollte nach Peru kommen und auch die „Selva“ kennenlernen. So habe ich sie nach San Martin einladen. Es ist bereits weit nach Mitternacht als sich das Boot mit lautem Brummen ankündigt. Sarah und ihre Freundin Maya bleiben für 5 Tage und gemeinsam wollen wir in den Urwald fahren. Sieben Stunden dauert es, bis wir San Martin bis zum dem 2. Parkwächterposten (PV2) gelangen. Insgesamt gibt es 7 dieser Posten die immer weiter in die Reserva hineinreichen. Über Radiofunk können die Parkwächter kommunizieren und im Falle von illegalen Eindringlingen, Alarm schlagen!
Um zu verstehen, wie weit abgelegen wir waren, muss man es sich in etwa so vorstellen: Iquitos ja bereits sehr Abgeschnitten ist, doch noch nichts im Vergleich zu „meiner Gemeinde“  Jetzt, 7 Stunden Später ist man fast völlig isoliert, es gibt keine Möglichkeit an Strom zu gelangen oder Dinge zu kaufen. Wenn San Martin schon am „ADW“ liegt, wo liegt dann dieser Posten? Doch es geht noch abgeschiedener: die Parkwächter, die in den Stationen 5,6,und 7 Arbeiten warten oft vergeblich auf ihre Ablösung und bleiben so häufig für ein halbes Jahr ohne Ablösung, haben komplett keinen Kontakt zur Außenwelt. Man erzählt sich schaurige Geschichten, was mit diesen Leuten passiert und das es oft nicht mehr möglich ist, normal mit ihnen zu Kommunizieren.
Mitten in all dieser Natürlichen Idylle liegt ein kleines Fährschiff vor Anker. Jeden Sommer kommen hier 100erte Studenten aus aller Welt um die Natur zu Studieren. Doch als wäre das Boot an sich nicht schon Fremd und unwirklich ist es voll ausgestattet, Strom, Klimaanlage, Gasherde, und mein Favorit, eine Satelliten-internetverbindung! Als ich das hörte dachte ich es ist ein Scherz, doch „Die Moderne“ scheint nun auch im letzten Winkel dieser Welt angekommen zu sein. Was man nicht alles seinen Touristen bietet!
Jetzt aber zum Eigentlichen:
Wir machten zunächst eine Tagestour, auf der wir bereits unglaublich viele Exotische Pflanzen, Mahagonibäume, Insekten, und eine Vielzahl an Vögeln beobachten können. Auch eine Familie nachaktiver Affen sehen wir, als sie kurz ihren Kopf heben um zu schauen wer kommt, uns dann aber als „Uninteressant“ eingestuft haben und weiterschlafen.
Nachmittags fahren wir weiter in den Nationalpark hinein, nach kurzer Zeit erscheinen an einem Flussarm Rote Delfine, die man hier „Boufeo“ nennt. Der Name kommt von dem Laut den der Delfin von sich gibt, wenn er aus dem Wasser kommt um Luft zu holen. Dabei berührt er nur die Wasseroberfläche, macht „Bouff“ und taucht wieder ab!
Danach fischen wir uns unser Abendessen, es besteht aus Carachama= Catfish Piranhas. Biestig sind die Viecher, um jeden willen versuchen sie einen noch irgendwie im Finger zu erwischen!
Am späten Nachmittag schlagen wir dann unser Camp mitten im Urwald auf. Camp- das heißt ein paar Holzpfosten in den Boden gerammt, ein Moskitonetz zwischen ihnen aufgespannt und eine Plastikplane darüber gelegt-fertig! Nicht sonderlich bequem, doch Natur pur und ein Geniales Gefühl!
Nach dem Abendessen machen wir uns mit dem Kanu auf Kaiman-Krokodilsuche. Mit Erfolg! Mit einer Taschenlampe leuchtet man das Ufer ab und meist unter umgestürzten Baumstämmen funkeln dann orangefarben die Augen der Krokodile zurück. Victor, unser Guide pirscht sich vorsichtig mit dem Paddel heran und mit einem schnellen gekonnten Griff hat er ein kleines Krokodil in seinen Händen.
Nachdem er mir den Griff zeigt darf der Kleine auch mal auf meinen Schoß! Es ist kalt und die schuppen sind perfekt angeordnet. Am Schwanz laufen sie zusammen und bilden das Muskulöse Stück, mit dem schon das kleine Tier gut zu schlagen weiß. am Rücken sind die Schuppen groß und hart, fasst man jedoch an den Bauch, so merkt man, dass dieser total weich und zart ist, der schnelle Puls des erstreckten Tierchens ist  gut zu sehen und zu spüren. Dann darf er auch wieder in die Freiheit zurück. Wir sehen weitere Krokodile, doch da fast Vollmond ist, können uns die Tiere bei Nacht leicht erkennen und tauchen ab, bevor wir sie erreichen.
Dann geht‘s zurück ins „Lager“ wo wir erst einmal die Eindrücke des Tages verarbeiten können.
So gegen 5 Uhr am nächsten Morgen wachen wir auf, denn eine riesige Affenherde macht ein ungeheuren Lärm- ein Affentheater! Mit Gebrüll markieren sie ihr Revier und vertreiben Kontrahenten. Und nur einen Moment danach kommen vom Ufer her laute Geräusche. Gerade noch sehe ich eine Gruppe von ca. 10 Süßwasserseehund– leider kein Foto- die lautstark in den Urwald flüchten.
Nach dem Frühstück hört Victor ein Gezwitscher heraus, das ihn aufmerksam macht. Und richtig, keine fünf Minuten später entdecken wir ihren Ursprung. Es sind Papageien, eine sehr selten zu findende Art. Und das Tierglück verfolgt uns weiter, Affenherden verschiedenster Sorten und Größen entdecken wir, auch ein Äffchen, dass seine Babys auf dem Rücken durch die Bäume trägt, ein Faultier, wir sehen Spuren Eines Tapirs (ca. so groß wie eine Kuh) und auch frische Tigerspuren in der feuchten Erde.
Schließlich machen wir uns wieder auf den Rückweg und kommen wieder glücklich in San Martin an, ein weiterer Traum ist in Erfüllung gegangen!
Wenn ihr Interesse an einem unvergesslichen Trip in die Natur habt, und das größte Naturreservat Perus kennenlernen wollt, dann schreibt einen Kommentar und ich antworte für weitere Informationen!

Beim Abholen, das macht vielleicht Spaß!

Los geht die Fahrt

hier sieht man ungefähr, wie groß die Distanzen sind und wo wir Waren!

Am PV2 Angekommen mit der Vollausgestatteten Fähre im Hintergrund!

Äffchen

Naturkamm, oder auch Kratzwerkzeug für die Affen!

"Mama vieja" die alte Mutter, (weil sie einen weißes Haupt hat und erfahren ist!)

Hello Krokodil



unser Camp im Urwald- holzpfahl und Plastikplane!

Die seltenen Papageien- unglaublich schön!


Piranhafischen

Mhm... que rico

Schildkröten befreiung- davon mehr im nächsten Post!

Urwaldriese




Raton- eine "Wildratte"?


Delfine und Boufeos






Mittwoch, 9. November 2011

El corte de Pellos – meine 2. Patenschaft

El corte de Pellos – meine 2. Patenschaft
Neulich kam erneut eine Familie aus der Gemeinde Bolivar und hat mit mir eine Patenschaft angeboten. Ich musste sehr mit meinem Gewissen hadern, denn wie kann ich denn ein guter Pate sein, wenn ich wieder in Deutschland bin? Darüber habe ich mit der Familie gesprochen und meine Bedenken geteilt, doch sie meinen es sei eine Ehre für sie, wenn ich die Patenschaft übernehmen könne und es ein unvergesslicher Tag wird!
Erneut werde ich abgeholt und als wir in Bolivar ankommen hat die Familie ihr Haus und der Garten wunderschön gesäubert und einen Großen Mülleimer vor der Tür aufgestellt, Ein gutes Beispiel, von dem sich viele Familien noch eine Scheibe von abschneiden können!
Das Fest heißt „Corte de Pellos“, was so viel wie „Haareschneiden“ bedeutet! Und genau darum geht es auch! Der erstgeborene Sohn der Familie feiert seinen dritten Geburtstag und die Eltern haben ihm bis zum heutigen Tag noch nicht die Haare geschnitten. Als ich ankomme hat ihn seine Mama auf dem Schoß sitzen und flechtet die Schulterlangen Haare in kleine Trensen. An jedes Ende bindet sie dann ein Süßi oder eine Zigarette. Er sieht lustig aus und schaut schüchtern durch die Gegend. Es gibt Chicha und Masato für die großen und das Haus füllt sich immer weiter!
Die Mutter setzt sich mit ihrem kleinen (Noah) auf dem Schoß in die Mitte des Raumes und alle Gäste tanzen im Kreis um sie herum. Nun darf jeder der möchte nach einer kleinen, stumpfen Kinderbastelschere greifen und sich eine oder zwei Trensen abschneiden und je nach dem 1-2 Soles in eine Schale werfen. So geht das dann immer weiter, bis der arme Noah, der schon ganz verwirrt ist, kaum noch Haare auf dem Kopf hat. Es ist nun meine Aufgabe alle übriggebliebenen Trensen abzuschneiden. Er tut mir ein bisschen Leid und hat nun alle seine Babyhaare verloren.
Später tanzen dann alle bis spät in die Nacht weiter, bis der klappernde Generator schließlich mit einem letzten Jaulen seinen Geist aufgibt und das Ende einläutet.
Am nächsten Morgen gehen wir noch einmal zu einem „richtigen“ Frisör, der sein bestes gibt um aus den kreuz und quer liegenden Haaren eine Frisur zu machen!



Beim Trensenflechten


Das Fest kann beginnen!

Alle Trensen werden eine nach der anderen abgeschnitten


Die Familie mit ihrem stolzen Padrino

Meine Patin von der 1. Patenschaft ist auch da

Ein Geburtstagskuchen darf natürlich auch nicht fehlen


Meine kleinen "Reinas"


nach dem Haareschneiden ist Noah viel entspannter und will auch ein bisschen Tanzen